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Oscar Pistorius vor GerichtDer Kampf um die Öffentlichkeit

Viel ist gerade nicht mehr übrig vom guten Image des Ausnahmeathleten Oscar Pistorius. Er versucht zu retten, was zu retten ist.

Hat den Kopf schon ganz schön hängen lassen: Oscar Pistorius. Bild: rtr

Bislang ist nur eines klar: Südafrikas Paralympics-Star Oscar Pistorius hat seine Lebensgefährtin Reeva Steenkamp getötet – mit mehreren Schüssen durch die verschlossene Toilettentür in seiner Villa. Er hat zugegeben, die Waffe, eine 9-Millimeter-Pistole, viermal abgefeuert zu haben. Doch an dieser Stelle endet bereits die Klarheit – und es beginnt ein erbitterter Kampf um die Wahrheit.

Staatsanwalt Gerrie Nel ist davon überzeugt, dass Pistorius eine „unschuldige und unbewaffnete Frau“ getötet hat. Das Gericht hat die Anklage wegen „vorsätzlichen Mordes“ zugelassen. Der mehrfache Goldmedaillengewinner bei Paralympischen Spielen widersprach dieser Darstellung entschieden. Alles sei eine tragische Fehleinschätzung gewesen: „Ich glaubte, dass jemand in mein Haus eingedrungen sei.“ Er habe Geräusche im Bad gehört, habe durch die Tür geschossen und erst danach festgestellt, dass Reeva Steenkamp – anders als er geglaubt habe –nicht im Bett gelegen habe, sondern die Person im Bad war.

Zeugen für das, was in der Nacht zum 14. Februar in der Wohnanlage Silver Lake passierte, gibt es keine – außer Pistorius selbst. Dementsprechend wird der Prozess in ein Indizienverfahren münden. Die Verteidigung hat auch am Mittwoch wieder versucht, ihren Klienten bis zum Beginn des Prozesses auf Kaution freizubekommen. Die Staatsanwaltschaft wehrt sich vehement dagegen. Am Donnerstag wird in der Frage weiterverhandelt.

Pistorius hat sich bereits für eine mediale Schlacht in Stellung gebracht. Denn an gefallenen Helden labt sich der Boulevard besonders gern. Die weltweite Aufmerksamkeit ist immens. Insofern wundert es nicht, dass nach der Tat fast minütlich Details aus dem Privatleben der Läuferikone publik werden. Ein Waffenfreund soll Pistorius sein, von Eifersüchteleien und aggressivem Verhalten ist die Rede. Zu guter Letzt soll in der Villa auch noch das Sexualhormon Testosteron gefunden worden sein. Damit steht auch das Thema Doping auf der wachsenden Vorwurfsliste. Die größten Werbepartner (Nike und Sonnenbrillenhersteller Oakley) haben sich bereits distanziert. Die Tageszeitung The Times spricht schon von einem „Pistorius circus“.

Viel Geld für das Team der Verteidiger

Dieser Rahmen erinnert an den Prozess gegen den US-Footballstar und Schauspieler O. J. Simpson, der wegen Mordes an seiner Exfrau und deren Geliebtem Mitte der 90er vor Gericht stand. Wie beim Strafprozess gegen Simpson, der letztlich mit einem Freispruch endete, geht es auch im Fall von Oscar Pistorius in erster Linie um die Kontrolle, den Zugriff auf die öffentliche Meinung, die in ihrer Gesamtheit den unbarmherzigsten Richter stellt. Pistorius weiß, dass jene Berichterstatter, die ihn einst feierten, dieselbe Kraft zur Zerstörung einsetzen werden. Sie sind bereits dabei.

Und auch Pistorius hat sich früh gewappnet: Wenige Augenblicke nachdem die Polizei in der Tatnacht seine Villa erreicht hatte, war bereits ein Anwalt zugegen. Pistorius hat viel Geld in sein defence team gesteckt. Neben dem Staranwalt Barry Roux verteidigt ihn auch Jurist Kenny Oldwage, der einst einen Freispruch für den Autofahrer erwirkte, dessen Wagen vor drei Jahren die Urenkeltochter von Nelson Mandela getötet hatte.

Um die Öffentlichkeit kümmert sich der ehemalige Sun-Reporter Stuart Higgins, der nicht nur für die skandalerprobten Profiklubs Manchester United und den FC Chelsea, sondern auch für die Fluggesellschaft British Airways arbeitet. Der Pathologe Reggie Permual wird die forensischen Aspekte des Verfahrens begutachten. Auch er ist kein Unbekannter: Permual war zuletzt im Fall der nach einem Aufstand nahe Johannesburg von Polizisten getöteten Minenarbeiter tätig. Die eidesstattliche Erklärung, die Pistorius zur Tat nun abgab, war nur der erste Punkt auf einer langen Liste, die es für das Team der Verteidiger abzuhaken gilt.

Sie alle werden versuchen, das Image des Läufers zu retten, Mitgefühl für einen Gefallenen zu erzeugen und die Unschuldsvermutung hartnäckig und mit allen Mittel zu verteidigen.

Längst geht es aber um mehr. Es geht um Glaubwürdigkeit – und darum, wer die Macht hat, sie zu erlangen.

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2 Kommentare

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  • L
    lowandorder

    Schick doch mal bitte einer die Bubi Scholz Strafakten ans Kap der Guten Hoffnung.

     

    Wie verlottert die Wahrnehmung durch das Trommelfeuer solcher

    Waffenlobbyisten wie NRA, Biden et al. ist:

    auf einen Menschen ohne Anrufung ( sonst hätt er ja gehört, wer da ist!) etc durch eine geschlossene Tür vier mal mit einer 9 mm Waffe zu feuern,

    ist erstmal mindestens - Totschlag.

     

    Stattdessen wird - auch im Artikel sich allein auf - morder or not -

    kapriziert.

    (Ob am Kap die Strafgesetze auch genau so aussehen, weiß ich nicht;

    das in den Blick zu nehmen, hätte dem Artikel aber gut angestanden.)

  • B
    BürgerLars

    Was sollte man daher tun? Von dem ganzen Verfahren schlicht gar nicht berichten.

    Die Frau ist tot. Das ist sicher und steht fest.

    Die Medien und die Öffentlichkeit (= WIR) werden getäuscht und belogen werden.

    Es gibt wichtigeres als einen gefallenen Leichtahtletikstar zu begaffen.

    Daher mein Tipp an die taz. Lasst das Thema links liegen. (oh ist ein nettes Wortspiel im Zushang mit taz)