Orte des Wissens: Eine Bleibe für den Gestalter der Stadt
Ein neues Zentrum dient der Erforschung des stadtplanerischen Oeuvres von Fritz Schumacher. Dessen Hauptwerk heißt Hamburg
Er hat auf Hamburg gewirkt wie sonst niemand: der Baumeister und Stadtplaner Fritz Schumacher (1869-1947). Als Oberbaudirektor Hamburgs (1909-1933) entwickelt er 1919 seinen „Federplan“ für die Stadt: In dessen Folge konzentriert sich die Bebauung auf strahlenförmige Siedlungsachsen, die dazwischen liegenden Räume sind wohnungsnahen Grün- und Freiflächen vorbehalten geblieben, die Verbindungen zum Umland schaffen.
Der Verein Fritz-Schumacher-Zentrum (FSZ), im Mai 2023 gegründet, erinnert ans theoretische und praktische Werk und auch ans Leben seines Namensgebers. Denn „Schumacher erfährt keine angemessene Wertschätzung in der Stadt“, beklagt Dieter Schädel, Bauhistoriker und FSZ-Gründer. Der Architekt Schumacher entwirft das Holthusenbad, die Davidwache, das Museum für Hamburgische Geschichte, aber auch Staatsbauten wie die Finanzdeputation am Gänsemarkt, die gerade saniert werden soll. Er schuf das Tropeninstitut, die architektonische Fassung des Alsterlaufs und die Krugkoppelbrücke. Auch der Stadtpark gehört zu seinen bleibenden Leistungen. Das FSZ will das Erbe Schumachers forschend erkunden, es bewusst machen und bewahren helfen.
Aktuell stehen drei Projekte an: So erforscht das FSZ die mehr als 30 von Schumacher errichteten Schulen, die in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre in Langenhorn, Berne oder in der Wendenstraße entstanden. Sie feiern also bald ihr 100jähriges Bestehen. Ihnen will das FSZ eine Ausstellung und eine Publikation widmen. „Wir wollen auch die Vorläufer zeigen, wollen ausgreifen auf die Armenschulen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur ersten Volksschule“, so Schädel. Ein weiteres Vorhaben untersucht die Fotografien, die Schumachers Bauten in Szene setzen und interpretieren. Außerdem wird ein 2021 entdeckter, 1947 verfasster handschriftlicher Lebenslauf Schumachers textkritisch ediert.
Er sei „mit Hamburg verheiratet“, schreibt der gebürtige Bremer in seinen „Erinnerungen“. Die Nationalsozialisten entlassen ihn 1933. Angesichts der stark zerstörten Stadt, auch seine Wohnung und seine Aufzeichnungen werden vernichtet, hält er im Oktober 1945 im Rathaus eine programmatische „Rede zum Wiederaufbau Hamburgs“. Er setzt darin den Zerfalls-Tendenzen einer Metropole die besondere Kunst der klugen städtebaulichen Anordnung entgegen: „Man könnte sagen, dass sich die Großstadt auflöst in ‚Knollengebilde‘ von Mittelstädten, die ihrerseits wieder in kleinstädtische Gemeinden zerfallen, wenn nicht das weitere Ziel bestände, das Ganze schließlich doch zusammenzuhalten zu einem Gebilde, das seine spezifische Eigenart als großer Kulturbewahrer behält.“
Schädel lädt ein, die Expertise der 20 FSZ-Mitglieder und auch die dortige Bibliothek zu nutzen: „Mit uns kann man die unterschiedlichsten Projekte machen.“ Anknüpfungspunkte gibt es viele, denn Schumachers theoretische Überlegungen und Architekturen weisen frappierende Bezüge zu heute auf. Als der Oberbaudirektor sich mit der städtischen Wohnungsnot konfrontiert sieht – Hamburg wird 1913 Millionenstadt – konzipiert er die Jarrestadt und weitere Wohngebiete, die sich wie ein „Gürtel um Hamburgs alten Leib“ legen. Schädel und weitere Aktive wie der Architekturexperte Rainer Korsen arbeiten ehrenamtlich. Für die Realisierung ihrer Ideen werben sie die Unterstützung von Stiftungen ein.
Dieter Schädel, Gründer des FSZ
Mit seinem Engagement für den Stadt-Denker und -Gestalter Schumacher tritt das FSZ in Konkurrenz zur 100 Mitglieder zählenden Fritz-Schumacher-Gesellschaft (FSG). Schädel hatte sie 1994 mitgegründet und das zugehörige Fritz-Schumacher-Institut geleitet. Die Anbindung an die HafenCity Universität aber misslang. Vor zwei Jahren spaltete sich dann das FSZ von der FSG ab. Frauke Hamann
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