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Orte des WissensWo Wissenschaft mit Kunst im Duett auftritt

Die Forschungsregion Braunschweig stellt ihr neues Science and Art Lab ins Schaufenster

Das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, pflegt sie seit langen Jahren, das europäische Zentrum für Kernforschung bei Genf ebenso wie die Technischen Universitäten in Dresden und München: die kritische Reflexion der wissenschaftlichen Forschung mit Instrumenten der Bildenden Kunst. Im Sommer letzten Jahres hat nun auch die TU Braunschweig eine kleine Institution ins Leben gerufen, die solche Arbeit in ihrem Hause leisten soll: das Science and Art Lab.

Jule Hillgärtner und Henrike Wenzel sind gemeinsame Leiterinnen. Hillgärtner, promovierte Medienwissenschaftlerin, wechselt als Direktorin des Kunstvereins Braunschweig ans Science and Art Lab, sie ist im internationalen Kunst- und Ausstellungsbetrieb zu Hause. Die Kunstwissenschaftlerin Wenzel ist bereits seit 2016 an der TU Braunschweig tätig, als lokale Kulturaktivistin betreibt sie zudem den Veranstaltungsort „Die H_lle“ und den gleichnamigen Kunstverein. Diese zusammen nur anderthalb Personalstellen sind derzeit um eine Praktikantin aufgestockt, die die unvermeidlichen sozialen Medien betreut.

Das Science and Art Lab ist eines von weiteren „Labs“ im „Projekthaus“ des TU-Präsidiums: Sie initiieren Vorhaben jenseits akademisch administrativer Regelprozesse, um sie an Lehrstühlen und Instituten zu verstetigen.

Das Science and Art Lab bringt Spitzenforschung und Kunst in den Dialog. Es versteht sich weder als Wissenschaftskommunikation noch sollen Forschungsergebnisse visuell aufbereitet oder illustriert werden. Wenzel spricht vielmehr von Irritation im produktiven Sinne, in der Konfrontation der Wissenschaft mit der Kunst. Hillgärtner bevorzugt den inkludierenden Begriff der Erweiterung, verweist auf das „und“ im Namen: Wissenschaft und Kunst werden in ihren Projekten zusammen gedacht.

Dazu dienen zwei Kernformate: ein Festivalprogramm und eine Residency, der mehrmonatige Aufenthalt eines Kunstschaffenden in wissenschaftlichen Instituten. Beide sind inhaltlich zwei derzeitigen Exzellenzclustern der TU-Forschung verpflichtet. Im letzten Jahr war es SE²A Sustainable and Energy Efficient Aviation – Nachhaltiges Fliegen, in einfachem Deutsch. Das Lab veranstaltete im Kontext des „Braunschweig International Film Festival“ in einer Halle am Braunschweiger Forschungsflughafen ein Minifestival mit Impulsvorträgen, Kurzfilmen und einer Podiumsdiskussion. Was bedeutet Fliegen – kulturhistorisch, metaphorisch, ökologisch – war eine der Ausgangsfragen. Herausgekommen ist ein Event, mit Bustransfer und Imbissbude. „Toll, aber überfrachtet“, resümiert Hillgärtner. Also besser: die Ideen übers ganze Jahr strecken.

Künstlerin Mareike Bernien wird in deren Jubiläumsjahr einen Video-Essay zur Quantenphysik verfassen

Gerade läuft die erste Residency, in Kooperation mit dem zweiten Exzellenzcluster: QuantumFrontiers. 2025 ist gemäß UN das „International Year of Quantum Science and Technology“, eingedenk des hundertjährigen Jubiläums der Quantenmechanik als Theorie der modernen Physik. Die Berliner Künstlerin und Filmemacherin Mareike Bernien wurde unter 100 Be­wer­be­r:in­nen einer internationalen Ausschreibung ausgewählt. Sie wird ein Video-Essay verfassen, hat dafür unter anderem an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) künstlerisch recherchiert. Dort begegnete ihr etwa im streng geschützten Reinraum eine Fliege, erzählen Hillgärtner und Wenzel. Wer bestimmt also, was „rein“ heißt, und: Wie viel Alltagsrealität lässt die Forschung zu? Beide sind gespannt auf die künstlerische These von Mareike Bernien.

Noch bis 10. Juni ist das Science and Art Lab der erste Gast im neuen Wissenschaftsschaufenster der „Forschungregion Braunschweig“ am Waisenhausdamm. In einem Ladenleerstand zwischen Brautmoden und türkischen Trockenfrüchten lädt dort unter anderem das Format „Duett“ Wis­sen­schaft­le­r:in­nen und Künst­le­r:in­nen zum öffentlichen Gespräch. Bettina Maria Brosowsky

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