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Ordination in BerlinDie erste Rabbinerin seit 75 Jahren

Zum ersten Mal seit 1935 wird in Deutschland wieder eine Frau ordiniert. Die 31-jährige Alina Treiger fühlt sich auf ihr Amt als Rabbinerin gut vorbereitet.

Alina Treiger wurde 1979 in Poltawa in der Ukraine geboren. Ihre Ausbildung zur Rabbinerin erhielt sie in Potsdam. Bild: dpa
Cigdem Akyol
Cigdem Akyol
Interview von Cigdem Akyol und Cigdem Akyol

Alina Treiger wird am Donnerstag in Berlin ihre "Smicha", die Berufung zur Rabbinerin, erhalten. Am selben Tag feiert das liberale Judentum, das gleiche Rechte für Männer und Frauen vorsieht, sein 200-jähriges Bestehen. Hier lernte die 31-Jährige sechs Jahre am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam. Das seit 1999 bestehende Kolleg bildet liberale Rabbiner aus und ist das erste liberale Rabbinerseminar in Mitteleuropa nach dem Völkermord an den Juden. Neben der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg ist es das einzige wissenschaftliche Ausbildungsinstitut für Rabbiner in Mitteleuropa.

taz: Frau Treiger, morgen findet die Ordinationsfeier statt, bei der Sie als Rabbinerin eingeführt werden. Bundespräsident Christian Wulff wird auch anwesend sein. Sind Sie aufgeregt?

Alina Treiger: Eigentlich bin ich gar nicht aufgeregt. Ich freue mich darauf, es ist ein Abschluss und ein Neuanfang zugleich. Und es ist schön, diesen Moment mit so vielen Menschen erleben zu dürfen. Deswegen freue ich mich auf den Tag.

Warum haben Sie sich für den Beruf entschieden?

Ich will mich mit meiner Religion auf einer professionellen und wissenschaftlichen Ebene auseinandersetzen. Frauen können mittlerweile so viele Berufe ergreifen. Warum also nicht auch den einer Rabbinerin?

Neben den nüchternen Argumenten - welche emotionalen Gründe waren entscheidend für Ihre Wahl?

Ich arbeitete schon immer sehr gern mit Menschen zusammen und glaube, ich kann andere für Dinge gut begeistern. Als Rabbinerin habe ich einen sozialen Auftrag und einen Lehrauftrag zugleich.

Sie sind eine der wenigen Rabbinerinnen in Deutschland. Ist es als Frau schwieriger in diesem Beruf?

In Moskau, wo ich im Institut des progressiven Judentums studierte, war es selbstverständlich, dass eine Frau vorbeten und aus der Thora lesen kann. Dass es etwas sehr Ungewöhnliches ist, habe ich erst wahrgenommen, als ich nach Deutschland kam. Ich bin zwar die einzige Rabbinerin, die hier ausgebildet und ordiniert wurde, aber es gibt noch wenige andere Rabbinerinnen in Deutschland. Vor allem die Reaktionen der Menschen haben mich verwundert. Jedes Mal, wenn mich jemand nach meiner Ausbildung fragte, erlebte ich überraschte Gesichter. Die Leute konnten sich keine Rabbinerin vorstellen, die vor einer Gemeinde steht und Entscheidungen trifft. Ich musste und muss mich aber nicht beweisen. Ich war einfach nicht schlechter als meine männlichen Kollegen im Studium und Praktikum. Ich kann genauso gut juristische oder ethische Entscheidungen treffen, was auch zu meinen rabbinischen Aufgaben gehören wird.

Wie ist es für Sie, im Land der Schoah Rabbinerin zu sein?

Als ich hierherkam, wusste ich, ich laufe nicht ins Leere. Die jüdische Gemeinde in Deutschland ist sehr lebendig und entwickelt sich immer weiter. Man sollte sich nicht immer auf die Vergangenheit beziehen und nach vorn schauen. Natürlich gehört die Schoah zu unserer Geschichte, und sie ist ein Teil unserer Trauerarbeit - das kann man nicht verschweigen. Aber sie darf uns nicht an einer Weiterentwicklung stören. Ich als Jüdin in Deutschland möchte unsere jüdischen Traditionen fortführen.

Wie geht es nun beruflich weiter?

Ich werde die Gemeinden Oldenburg und Delmenhorst betreuen. Ich bin aufgeregt, aber ich fühle mich auch bereit, die Aufgaben zu übernehmen. Ja, ich fühle mich bereit.

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12 Kommentare

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  • K
    Kritiker

    Eine schöne Nachricht. Eine lange Tradition und es ist kein Bruch.

  • Y
    Yaku

    "unter Perücke bzw. Kopftuch ist übrigens nur eine geschorene Glatze"

     

    Auch das ist wieder nicht richtig. Es gibt ultraorthodoxe Gruppierungen, bei denen sich die Frauen den Kopf rasieren, die Mehrheit hingegen nicht, in der Orthodoxie sowieso nicht. Mit Anlesen von Dingen ist es eben nicht getan.

    Die Mehrheit tragen Mützen!

  • T
    Tacheles

    @Yaku

    siedlerinnen im nahen osten tragen überwiegend ein kopftuch.

     

    "Im orthodoxen Judentum bedecken verheiratete Frauen ihr Haar aus religiösen Gründen mit einem Tuch oder einer Perücke. Bereits die hebräische Bibel (Altes Testament) redet von einer Verschleierung der

    Frauen: So verschleiert sich Rebekka, die Frau Isaaks. Nach Gen 24,51 ist sie Isaak zur Frau gegeben worden. Als sie daraufhin ihrem Mann zugeführt wird, heißt es:

     

    „Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich.“

     

    – Bibel, Luther: Genesis 24,65"

     

    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kopftuch

     

    unter Perücke bzw. Kopftuch ist übrigens nur eine geschorene Glatze.

  • EW
    Eike Welk

    Weibliche Imame gibt es übrigens in der Türkei, und auch in Deutschland. Aber es sind wenige, und sie predigen normalerweise nicht vor Männern.

     

    http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3750565,00.html

     

    Es gibt in der Türkei außerdem eine liberale islamische Strömung namens "Schule von Ankara". Diese hält unter anderem die Trennung der Geschlechter für unnötig. Es soll in der Türkei einige wenige Moscheen geben, wo deshalb Männer und Frauen zusammen beten.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Schule_von_Ankara

     

    Ich wünsche mir, dass der Islam eine ähnliche Entwicklung nimmt wie das Judentum mit dem Reform-Judentum. Also die Entwicklung einer liberalen Strömung, ohne dass es zur Spaltung der Religion kommt.

  • EM
    ERICH M.

    Es berührt mich, von der Ordinierung der Alina Teiger zu lesen

  • G
    Gracia

    Etwas macht mich stutzig. Kenne mich zwar nicht gut aus mit dem Judentum, aber ich weiß noch gelesen zu haben, dass Männer als erstes beten das sie dankbar sind, keine Frauen zu sein.

     

    Stimmt das oder stimmt das nicht. Und wenn ich als Rabbinerin das doch höre, ist das kein Widerspruch?

     

     

    Hagen Rether meinte auch die monotheistischen Religionen sind ein feuchter Männer Traum!

    Wie wahr...

  • Y
    Yaku

    "orthodoxe jüdinnen haben ein KOPFTUCH zu tragen"

     

    Nein, nur verheiratete Jüdinnen tragen eine Kopfbedeckung, meistens eine Mütze, manche einen Scheitel,je nach Tradition, Kopftücher aber nicht.

  • T
    Tacheles

    @Yaku

    gute frage. die reiche ich gern an

     

    @Ania weiter -

     

    übrigens:

    orthodoxe jüdinnen haben ein KOPFTUCH zu tragen, was nie in frage gestellt wird (machen sie natürlich freiwillig, im gegensatz zu gläubigen musliminnen, ist klar).

  • Y
    Yaku

    @Tacheles

     

    wie lange wird das katholische Christentum noch brauchen, um weibliche Priesterinnen hervorzubringen?

    Jahrtausende??

  • T
    Tacheles

    @Ania

    wie lange hat da judentum gebraucht, um eine liberale strömung hervorzubrigen, die es frauen ermöglicht, rabbinerinnen zu werden?

    antwort: JAHRTAUSENDE!

     

    das judentum, ist - wie ALLE "buchreligionen" und auch noch andere, eine schöne reine macho-religion. die frauen haben auch in der synagoge HINTER ihren männern zu beten - bis heute!

  • AK
    Ania K.

    Bin gespannt wie lange wir auf einen weiblichen Iman (heisst das Imanin?) warten müssen, meine optimistische Prognose 500 Jahre, wenn überhaupt.

  • S
    Schulz

    Ich freue mich immer wenn Frauen gleichberechtigte Berufe ergreifen.

    Leider ist Deutschland spaetestens seit...

    der Einheit Deutschlands rueckschrittlich geworden.

    Vorher gab es wohl ideologische selektive Menschenauslese...

    jetzt haben wir eine Geschlechterauslese?

    Dann gibt es natuerlich jede Art von Fehlentwicklung.