Orchester-Fusion: Streichkonzert wird halbiert
Aus Kostengründen sollen die beiden renommierten Rundfunk-Orchester Berlins fusionieren. Dirigenten und Kulturpolitiker laufen gegen die "Abwicklung" Sturm.
Die Empörung ist groß. Sie reicht vom Chef-Dirigenten des Deutschen Symphonie-Orchester (DSO), Ingo Metzmacher, über Bundespräsident Horst Köhler und Kulturpolitikern des Bundes bis hinein ins Berliner Abgeordnetenhauses. Man spricht von "inakzeptablen" Plänen und einem schweren "Irrtum", der passieren könnte. Die Berliner Fraktionen von CDU, Grüne, FDP und SPD haben zum Mittwoch eine Sondersitzung des Kulturausschusses beantragt und Klaus Wowereit (SPD) einbestellt.
Der Grund für die Aufregung ist die Ankündigung von Willi Steul, Intendant des Deutschlandradio, zwei erfolgreiche Orchester, das DSO und das Rundfunk-Sinfonieorchester (RSO), fusionieren zu wollen. Angesichts der Aussicht auf knappere Kassen und aus Gründen der "Zukunftssicherung" müsse aus beiden Orchestern "ein exzellenter" Klangkörper mit zirka 120 Musikern werden, so Steul. Das Deutschlandradio ist mit 40 Prozent an der Berliner Rundfunk und Chöre GmbH (ROC) beteiligt. Zu dem Dachverband gehören die beiden Orchster seit 1994. Weitere ROC-Gesellschafter sind der Bund, Berlin und der RBB.
Nach Ansicht des Intendanten des Deutschlandradio müsse eine Zusammenlegung jetzt über die Bühne gehen. Nur bis 2011/2012 seien die Ensembles durch die Kulturhaushalte mit 34 Millionen Euro gut ausgestattet und ein Strukturwandel finanzierbar. Danach wären Einbußen infolge der Wirtschaftskrise zu befürchten. Zudem seien derzeit Solostellen in beiden Orchestern nicht besetzt, was Kündigungen im großen Stil ausschließe. Stattdessen könnten "sozialverträgliche Lösungen" mit Künstlern gesucht werden. Schließlich bräuchte kein neuer DSO-Chef gesucht werden, so Steul. Metzmacher hatte seinen Vertrag über 2010 hinaus nicht verlängert.
Während der Mitgesellschafter Bund die Argumente Steuls unterstützt, ist für die Kritiker die geplante Fusion "überhaupt nicht nachvollziehbar", wie Metzmacher und das DSO betonten. Die beiden Ensembles müssten selbstständig bleiben; die mögliche Streichung von 50 bis 80 Stellen sollte vermieden werden. Nach Ansicht von Exkulturstaatsministerin Christina Weiss besitze Berlin mit dem DSO und RSO zwei Orchester, die leistungsstark und "international konkurrenzfähig" und seien. Eine Fusion aus Kostengründen sei angesichts der erfolgreichen Konzertreihen und jüngster Erträge unverständlich, so Weiss. Zudem bedeute es ein kulturpolitisch "schlimmes Signal", wenn die Hauptgeldgeber, der Bund und Steul, den Hahn zudrehten.
In der Tat haben beide Orchester mit zusammen über 200 Musikern und Dirigenten wie Kent Nagano und Metzmacher eine jeweils eigene klangliche Individualität. Auch darum lehnt Metzmacher die Fusion ab: "Es ist ein Irrtum, dass durch die Fusionierung zweier erstklassiger Orchester ein noch viel besserer Klangkörper entstehen könne."
Richtig ist aber auch, dass das vom DDR-Rundfunk kommenden RSO erst die letzten Jahre einen Aufschwung erlebte und die zuständige ROC dieses Jahr mit sechs Millionen Euro aus der Pleite gerettet werden musste.
Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin der Berliner Grünen, warf den Verantwortlichen Unredlichkeit vor: "Offenbar nutzen die Gesellschafter die entstehende Vakanz beim DSO durch den Weggang von Metzmacher, um die beiden Orchester zu fusionieren." Mit dieser Reduzierung auf nur noch ein Orchester "wird der Stadt kulturpolitischer Schaden zugefügt," sagte Ströver zur taz. Sie forderte, die Orchester zu erhalten.
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