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Archiv-Artikel

Oppositionelle sind Kriminelle

Die Tadschiken wählen am Sonntag ihr Parlament. Der alte wird wohl auch der neue Präsident, denn Emomali Rachmonow ist Opposition zuwider

AUS DUSCHANBEMARCUS BENSMANN

Auf dem zentralen Platz der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe reckt die mächtige Statur Sha Ismoils ihr goldenes Zepter in den Himmel. Als 1992 statt des mittelalterlichen Orientkönigs noch eine Lenin-Statue stand, hatten Demonstrationen auf diesem Platz einen Bürgerkrieg zwischen regionalen Klans in dem zentralasiatischen Staat ausgelöst. Er forderte 100.000 Opfer und endete erst 1997 mit dem Friedensvertrag von Moskau. Am Sonntag nun wird Tadschikistan zum zweiten Mal nach diesem Bürgerkrieg sein Parlament wählen.

„Sehr wahrscheinlich werden die Wahlen manipuliert“, sagt der Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei Tadschikistans, Rachmatullo Soiirow. Der 46-jährige Jurist ist davon überzeugt, dass keine Partei die Menschen zu Protesten gegen die Wahlfälschung auf die Straßen rufen wird. „Wir hatten unsere orange Revolution schon 1992, und wir haben dafür bezahlt.“

Alle Macht in einer Hand

Das Parlament hat praktisch keinerlei Einfluss. Die politische Macht in Tadschikistan liegt seit 1994 komplett in den Händen von Präsident Emomali Rachmonow. Der 54-Jährige ernennt persönlich die Gouverneure und Bürgermeister, auch Richter und Staatsanwälte. Die wichtigsten Jobs in Wirtschaftsunternehmen, Banken und politischen Funktionen sind mit Mitgliedern der Präsidentenfamilie oder Abkömmlingen aus der Heimatregion des Präsidenten, der südtadschikischen Provinz Kuljab besetzt.

Rachmonow ist zugleich Vorsitzender der Volksdemokratischen Partei, die aus der tadschikischen Volksfront hervorgegangen ist und im Bürgerkrieg die Einheiten der Opposition bekämpft hatte. Im jetzigen Parlament verfügt die Präsidentenpartei mit 43 der 63 Sitze über eine Zweidrittelmehrheit. Jeder der in Tadschikistan politisch oder wirtschaftlich etwas werden will, tritt der Partei bei, die 100.000 Mitglieder hat. Zweitstärkste Partei im jetzigen Parlament ist mit acht Sitzen die kommunistische Partei, im Grunde ein zahnloses politische Anhängsel der Regierungspartei.

Trotz der autokratischen Machtfülle des Präsidenten entwickelte sich in Tadschikistan nach dem Friedensvertrag 1997 eine kleine agile Opposition. Die Partei der Islamischen Wiedergeburt, einzige zugelassene religiöse Partei, stellt mit 20.000 Mitgliedern die größte Oppositionspartei in Tadschikistan. Es folgen die Demokratische Partei Tadschikistans und die Sozialdemokraten mit je 5.000 Mitgliedern.

Im Vorfeld der Wahlen bedrängt die Staatsmacht die Opposition mit allen verfügbaren Mitteln. Selbst bei fairen Wahlen, sagt Soiirow, würde die Partei des Präsidenten eine deutliche Mehrheit bekommen – trotz katastrophaler wirtschaftlicher Bedingungen und einem zutiefst korrupten Regierungsapparat. Rachmonow, so der Sozialdemokrat, habe sich der Bevölkerung erfolgreich als Friedensgarant präsentiert. „Trotzdem ist ihm jede noch so schwache Opposition zuwider.“

So haben es etwa eifrige Beamte geschafft, der Opposition jedes Mittel der Öffentlichkeitsarbeit zu entziehen. Im Sommer 2004 endete der kurze Ausflug Tadschikistans in die Pressefreiheit: das Erscheinen der regierungskritischen Zeitung Rusi Now wurde mit administrativen Tricks verhindert. Und Anfang diesen Jahres musste die ebenfalls kritische Zeitung Neruschan wegen „Steuerhinterziehung“ ihr Erscheinen einstellen. Beide Zeitungen hatten der Opposition ein Forum gewährt.

Konkurrenten kaltstellen

Politische Gegner werden kriminalisiert. So wurde im Dezember der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Machmadrusi Iskandarow, auf Gesuch der Staatsanwaltschaft in Moskau verhaftet, angeblich wegen Korruption, Mord und Terrorismus. Die Sozialistische Partei wurde im Dezember regelrecht gekapert, der regierungskritische Vorstand durch einen regierungsfreundlichen ersetzt. Und der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei reist – anstatt Wahlkampf zu führen – durchs Land, um Gerichtsverfahren gegen seine Direktkandidaten abzuwehren. Sobald nämlich die Staatsanwaltschaft gegen einen Kandidaten ermittelt, muss der zurücktreten.

Die Sozialdemokraten haben auf diese Weise ihren aussichtsreichen Kandidaten in Kuljab, der Heimatprovinz des Präsidenten, verloren: Sultan Kuwattow, im Bürgerkrieg einst Mitstreiter der Präsidenten, hatte sich in den letzten Jahren zu einem entschiedenen Kritiker Rachmonows gewandelt. Über Jahre verweigerte ihm das Justizministerium die Zulassung seiner Fortschrittspartei. Daraufhin kandidierte Kuwattow für die Sozialdemokraten in Kuljab, mit guten Aussichten auf Erfolg. Kurzerhand eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen ihn. Die Islamische Partei, als einzige Oppositionspartei mit zwei Abgeordneten im jetzigen Parlament vertreten, versucht mit sanfter Anlehnung an den Präsidenten die allmächtige Administration milde zu stimmen.

Lob dem Gegner

Ihr Vorsitzender, der ergraute Abdullo Nuri, hatte im Bürgerkrieg die Vereinigte Tadschikische Opposition angeführt. Der bärtige Parteivorsitzende überlässt nun das öffentliche Agieren seinem Stellvertreter Muchidin Kaberi. Der 39-jährige wohlhabende Geschäftsmann versteht es, der Islamischen Partei einen weltlichen Touch zu geben. Er kandidiert in seiner Heimatprovinz Faizabad. Nach der letzten Wahl war ihm dort sein Sieg aberkannt worden. Nun lobt Kaberi in seinen Wahlkampfauftritten unentwegt den Präsidenten. Ob es ihm nützt, wird sich nach den Wahlen zeigen.