Opposition in Weißrussland: Menschenrechtlerin vor Ausweisung
Die Russin Elena Tonkatschewa, die seit 1985 in Weißrussland lebt, scheitert mit ihrer Berufung vor Gericht. Angebliches Vergehen: zu schnelles Fahren.
BERLIN taz | Die Menschenrechtsaktivistin Elena Tonkatschewa wird Weißrussland aller Voraussicht nach verlassen müssen. Am Dienstag lehnte ein Gericht in der Hauptstadt Minsk ihre Berufung gegen eine Entscheidung der Polizeibehörde ab. Diese hatte am 5. November vergangenen Jahres die Ausweisung innerhalb eines Monats sowie eine dreijährige Wiedereinreisesperre verfügt. Zur Begründung hieß es, sie sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe dadurch die öffentliche Sicherheit bedroht.
Tonkatschewa ist russische Staatsbürgerin, lebt jedoch seit 1985 in Weißrussland. Ihre Tochter sowie alle anderen Verwandten haben die weißrussische Staatsbürgerschaft. Seit 20 Jahren leitet sie das Zentrum für Rechtstransformation – eine Nichtregierungsorganisation, die für die Einhaltung der Menschenrechte kämpft. So sammelte das Zentrum Fakten im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung von Massenprotesten gegen die gefälschten Präsidentenwahlen am Abend des 19. Dezember 2010.
Bereits im Dezember war eine Berufung Tonkatschewas in erster Instanz abgelehnt worden. Vor der Gerichtsentscheidung vom Dienstag hatten Aktivisten 7.700 Unterschriften für einen Aufruf gesammelt, die Menschenrechtlerin nicht zu deportieren. Sie selbst verwies unter anderem darauf, dass die Behörden nicht hätten nachweisen können, dass sie zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitungen selbst am Steuer gesessen habe. Den Wagen habe sie sich mit einem Freund sowie einem Kollegen geteilt.
Der weißrussische Menschenrechtler Ales Bjaljazki, der wegen Steuerhinterziehung nach dreijähriger Haft 2014 vorzeitig entlassen wurde, verwies auf den politischen Aspekt des Ausweisungsbeschlusses. „Tonkatschewa hat nie geschwiegen. Jetzt wurde ein Vorwand gefunden, um sie mundtot zu machen“, sagte er laut der weißrussischen Nachrichtenagentur Belapan.
Internetmedien unter Druck
Repressionen gegen Andersdenkende in Weißrussland haben wieder zugenommen. Beobachter führen das auch auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Herbst zurück, bei denen der seit 1994 autokratisch regierende Staatschef Alexander Lukaschenko wieder antreten will. So trat am 1. Januar 2015 ein Gesetz in Kraft, das die Arbeit von Internetmedien massiv einschränkt.
Am vergangenen Freitag wurde der kritische Verlag Lohvinau zu einer Geldstrafe von umgerechnet 60.000 Euro verurteilt. Damit steht er vor dem Aus. Elena Tonkatschewa will jetzt vor das Kassationsgericht ziehen. Dafür hat sie drei Tage Zeit.
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