Opposition in Italien: Grillos Truppe zerlegt sich selbst
Der „Fünf-Sterne“-Bewegung, die schon bei der Kommunalwahl abstürzte, droht die Spaltung. Hardliner und Pragmatiker finden keine Kompromisse.
ROM taz | Nur wenige Monate nach ihrem triumphalen Einzug ins Parlament steht Beppe Grillos „Fünf-Sterne“-Protestbewegung vor ihrer schwersten Zerreißprobe. Am Montagabend beschlossen die beiden Fraktionen aus Senat und Abgeordnetenhaus ein Ausschlussverfahren gegen die Senatorin Adele Gambaro. Womöglich wird dieses Verfahren zum Ausgangspunkt der Spaltung.
Nach den für das Movimento 5 Stelle (M5S) enttäuschenden Ergebnissen bei den Kommunalwahlen Ende Mai hatte Gambaro den Frontmann der Bewegung kritisiert. „Beppe Grillo ist das Problem“, hatte sie in einem TV-Interview mitgeteilt. Vor allem seine schrillen Töne seien geeignet, Wähler abzuschrecken. Grillo schlug in seinem Blog zurück. Gambaro „zählt nichts“, giftete er und verlangte ultimativ ihren Ausschluss.
Jenseits der Person aber geht es um den Konflikt zwischen Hardlinern und Pragmatikern – einen Konflikt, der seit dem spektakulären Wahlerfolg vom 25. Februar schwelt. 25 Prozent der Stimmen, 109 Sitze im Abgeordnetenhaus, 54 im Senat: Mit einem Schlag wurde M5S zu einer der stärksten politischen Kräfte im Land. Doch sofort kristallisierte sich heraus, dass es in den Fraktionen unterschiedliche Vorstellungen gibt, wie dieser Erfolg politisch umzumünzen ist. Eine Minderheit von Realos setzte von vornherein auch auf Kompromisse mit der Linken im Parlament. Grillo hielt dem entgegen, der Wahlkampfslogan sei das allen traditionellen Parteien entgegengeschleuderte „Alle ab nach Hause!“ gewesen. Kompromisse mit den Altparteien seien deshalb ausgeschlossen.
Angesichts fehlender Mehrheiten im Senat für die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) kam es zur Bildung einer Links-rechts-Koalition unter dem neuen Ministerpräsidenten Enrico Letta zwischen der PD und dem Berlusconi-Lager. Grillos Truppen wurden so zur einzigen Oppositionskraft mit Gewicht.
Ausschlußverfahren als nächster Schritt im Konflikt
Doch M5S konnte aus ihrer Oppositionsrolle kein Kapital schlagen, wie sich bei den Kommunalwahlen zeigte. In Rom stürzte die Bewegung auf 12 Prozent ab und halbierte ihr Ergebnis vom Februar. Vor diesem Hintergrund mehrten sich kritische Stimmen aus den Parlamentsfraktionen, während die treuesten Grillo-Parteigänger die „Abweichler“ aufforderten, ihre Mandate niederzulegen.
Der nächste Schritt im Konflikt ist mit dem Ausschlussverfahren gegen die Senatorin Gambaro getan. Das Statut von M5S sieht vor, dass die Fraktionen das Verfahren einleiten, dann aber die registrierten Grillo-Anhänger im Internet die endgültige Entscheidung fällen.
Eine starke Minderheit der Parlamentarier mochte den Beschluss nicht mittragen. Es gab 79 Ja- und 42 Neinstimmen bei 9 Enthaltungen. Alle, die mit Nein votierten, stehen nun auch auf der Abschussliste. Der Fraktionschef von M5S im Senat hatte vorher Nibelungentreue zu Grillo eingefordert: Wer Nein zum Ausschlussverfahren sage, stelle sich nicht bloß gegen Grillo, sondern auch „gegen das Web“.
Mit Interesse verfolgt die Partito Democratico diese Entwicklungen. Denn vor allem im Senat könnte sich mit der Bildung einer neuen Fraktion von M5S-Abweichlern die Lage ändern: Theoretisch wäre dann auch die Bildung einer Regierung ohne Berlusconis Rechte denkbar.
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