Opposition in Aserbaidschan: Aus dem Knast in den Hausarrest
Der Menschenrechtler Arif Junus darf das Gefängnis verlassen. Grund ist sein schlechter Gesundheitszustand. Seine kranke Frau bleibt inhaftiert.
Junus und sein Frau Leila waren im vergangenen August wegen Betruges und Steuerhinterziehung zu sieben bzw. achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Zahlreiche internationale Organisationen hatten den Prozess als „rein politisch motiviert“ kritisiert. Derartige Justiz-Farcen, zumal wenn Regierungskritiker vor Gericht stehen, haben im Land des autoritären Staatspräsidenten Ilham Alijew Methode. Angaben von Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in Aserbaidschan derzeit rund 80 Personen aus politischen Gründen inhaftiert.
Festgenommen worden war das Ehepaar Junus bereits im Juli 2014 unter dem Vorwurf von Wirtschaftsverbrechen sowie angeblicher Spionage für das verfeindete Nachbarland Armenien. Dieses Verfahren wegen Hochverrats ist übrigens immer noch anhängig.
Das Engagement von Leila und Arif Junus in Sachen Menschenrechte reicht lange zurück. Die 59Jährige Leila, die die französische Tageszeitung Le Monde als „eine der letzten Dissidentenstimmen Aserbaidschans“ bezeichnete, war bereits zu Sowjetzeiten in der Kaukasusrepublik aktiv.
Vermittlerin im Krieg
Im Jahr 1988 war sie Mitbegründerin der Nationalen Bewegung für Unabhängigkeit, der Volksfront von Aserbaidschan, die sich für die Unabhängigkeit Aserbaidschans einsetzte. Vom Jahr des Zusammenbruchs der Sowjetunion 1991 bis 1995 war sie Chefin der Unabhängigen Demokratischen Partei Aserbaidschans. Während des Krieges zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach (1992-1994) versuchte Leila Junus zwischen den beiden Staaten zu vermitteln.
Im Jahr 1994 gründete sie in Baku das Institut für Frieden und Demokratie (IPD), das sie bis heute leitet. Neben der Aussöhnung mit Armenien engagiert sich das Institut für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt oder von Menschenhandel geworden sind, sowie für die Rechte politischer Gefangener. 2011 wurde das Büro des Instituts in Baku auf Anordnung der Behörden von Bulldozern niedergewalzt und das gesamte Archiv zerstört.
Anders als ihr Mann muss Leila weiter im Gefängnis bleiben. Aber auch ihr geht es gesundheitlich sehr schlecht. Nach Angaben von Arif leidet sie an Hepatitis C, Diabetes und Nierensteinen.“Wenn sie sie in das Frauengefängnis verlegen“, sagte Arif kurz nach seiner Freilassung, „dann wird sie das umbringen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf