■ „Opferrente“ für Kriegsverbrecher soll gestrichen werden: Überfällige Korrektur
Seit Jahren drängen die Bündnisgrünen, daß die Bundesregierung das Versorgungsgesetz von 1950 endlich dahingehend ändert, daß Kriegsverbrecher nicht weiter alimentiert werden. Keine „Opferrenten“ für Wehrmachts- und Waffen-SS-Kriminelle, fordern sie, auch wenn diesen beim Kampf für Führer und Volk die Beine weggeschossen wurden. Jetzt kommt endlich Bewegung in die Sache. Die Bundesregierung läßt erstmals erkennen, daß dieses Gesetz korrekturbedürftig ist. Sehr vorsichtig, sehr spät, aber immerhin doch noch scheint sich im Bundestag eine Mehrheit dafür zu finden.
Wer aber A sagt, muß auch B sagen. Die hoffentlich bald gestrichenen „Kriegsopfer-Zusatzrenten“ für NS-Verbrecher dürfen nicht in den maroden Bonner Haushalt fließen, sondern die eingesparten Gelder müssen umgeschichtet werden. Andernfalls könnte der Verdacht entstehen, daß der politische Wille, die Fehlentscheidungen von 1950 zu korrigieren, finanzieller Natur ist. Dies wäre eine verlogene Vergangenheitsbewältigung. Die freiwerdenden Gelder – die Schätzungen bewegen sich um eine halbe Milliarde Mark pro Jahr – müssen für menschenwürdige Renten für bis heute nicht entschädigte Opfer des NS-Regimes ausgegeben werden. Etwa für die baltischen Juden, die niemals einen Pfennig gesehen haben – noch leben etwa 220 frühere Ghetto- und KZ- Häftlinge in Litauen, Lettland und Estland. Oder für die polnischen, ukrainischen, weißrussischen und russischen Juden, die mit einer einmaligen Zahlung von 30 Mark pro Haftmonat abgespeist wurden.
Es ist nicht zu verstehen, warum kriegsversehrte Naziverbrecher – unabhängig von ihrer Nationalität und ihrem Wohnort – ihr Alter vergoldet bekommen, während ihre Opfer, vor allem die in Osteuropa, bitterarm bleiben müssen. Wie ist es zu erklären, daß ein SS-Mann, der in Litauen jüdische Frauen und Kinder in die Massengräber schoß, rentenberechtigt ist, während es Holocaust-Überlebende in Litauen nicht sind? Eine „Unwürdigkeitsklausel“ im Bundesversorgungsgesetz wäre der erste Schritt, um bundesrepublikanisches Nachkriegsunrecht endlich ein wenig zu korrigieren. Der zweite, das Bundesentschädigungsgesetz so zu ändern, daß nicht nur im Westen lebende NS-Verfolgte eine Rente bekommen. Der dritte wäre, diese Renten so großzügig zu bemessen, daß sie wenigstens im hohen Alter endlich würdig leben können. Anita Kugler
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