Opfer rassistischer Polizeigewalt: Wenn die Hautfarbe allein schon zählt
Auch in Deutschland hält die Polizei Menschen wegen ihrer Hautfarbe an. Beobachter nennen „Racial Profiling“ Rassismus. Ein Prozess geht Ende des Monats in Revision.
BERLIN taz | Kontrollieren, weil die Hautfarbe allein schon genug Anlass für Verdacht liefert – diese polizeiliche Praxis wird in Deutschland offiziell einerseits geleugnet, andererseits für legitim erklärt.
So urteilte im Februar dieses Jahres das Verwaltungsgericht Koblenz: Sich auf der Suche nach Menschen, die gegen Grenzvorschriften und Aufenthaltsrecht verstießen, vom „äußeren Erscheinungsbild“ leiten zu lassen sei statthaft. Solches Racial Profiling aber, erklärte Liz Fekete, Geschäftsführerin des Londoner Institute of Race Relations, am Wochenende in Berlin, sei nur eines: staatlicher Rassismus.
Auf Einladung der Berliner Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) erläuterte Fekete auf dem Kongress „Racial Profiling Reloaded“, es sei fester Bestandteil der Polizeiarbeit, Minderheiten ins Visier zu nehmen. In allen westlichen Ländern würden die Grenzkontrollen ins Innere verlegt. „Es gibt Institutionen wie die Polizei, die sich weigern, zu akzeptieren, dass sie die Polizei für eine multikulturelle Gesellschaft sind – nicht für eine weiße deutsche Gesellschaft“, sagte Fekete.
Sie rief dazu auf, auch in Deutschland ein breites Bündnis zu bilden, das „möglichst viel Druck von unten aufbauen“ solle, um „die Strukturen innerhalb der Polizei infrage zu stellen.“
„Organisiert Euch!“
Eine Anregung, die der Veranstalter KOP aufgriff. „Allen Menschen in der Gesellschaft“, so KOP-Aktivistin Johanna Mohrfeld, „die von institutionellem Rassismus betroffen sind oder dieser Form der Unterdrückung und Entrechtung aktiv entgegentreten wollen, raten wir, sich zu organisieren!“
Laut Auskunft der Bundesregierung von 2008 findet Racial Profiling in Deutschland nicht statt, da es dem Grundgesetz und dem Rechtsstaatsgebot widerspreche. Daher gebe es auch keine behördlichen Daten dazu. KOP jedoch dokumentiert seit dem Jahr 2.000 Fälle rassistischer Polizeipraxis in Berlin. Mohrfeld berichtet von etwa 125 Berichten; dieses Jahr hätten sich bereits 10 Menschen gemeldet.
Die mahnenden Worte zur Aktion im Ohr, begaben sich viele KongressteilnehmerInnen direkt von der Tagung zu der Demonstration für die Rechte von Asylsuchenden und Geflüchteten, die am Samstagnachmittag in Berlin stattfand. Und sie werden auch das Revisionsverfahren gegen das Koblenzer Urteil verfolgen, das am 29. Oktober vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz – ebenfalls in Koblenz – stattfindet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen