Opfer des Bundeswehr-Angriffs: Neue Gespräche mit Kundus-Anwälten
Das Verteidigungsministerium hat die Anwälte der Opfer des Luftangriffs im Jahr 2009 in Afghanistan zu neuen Gesprächen geladen. Die haben sich Verstärkung geholt.
BERLIN taz | Das Bundesverteidigungsministerium hat die Anwälte der Opfer des Luftangriffs im afghanischen Kundus zu neuen Gesprächen geladen. Dies teilten Karim Popal, Bernhard Docke, Reiner Geulen und Remo Klinger am Donnerstag in Berlin mit. Im April hatte das Ministerium die Verhandlungen mit der Begründung abgebrochen, es gebe Zweifel am Mandat des afghanischstämmigen Bremer Anwalts Popal.
Bei dem von der Bundeswehr veranlassten und später vom Verteidigungsminister als "unangemessen" bezeichneten Angriff auf zwei von den Taliban entführte Tankwagen waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen, darunter viele Zivilisten, getötet worden.
Ein Ministeriumssprecher bestätigte der taz die Einladung zu Gesprächen "über die Sach- und Rechtslage". Damit folgt das Ministerium laut den Anwälten einer Frist, die ihm die inzwischen von Popal und Docke engagierte Kanzlei Geulen-Klinger gesetzt hatte. Letztere hatte sich schon im Streit über das sogenannte Bombodrom und bei Entschädigungen für Strahlenopfer gegen das Ministerium durchgesetzt.
Geulen sagte, er habe es "verfassungsmäßig untragbar" gefunden habe, dass Popal als Vertreter der Opfer vom Ministerium nicht akzeptiert worden sei. "Es ist segensreich, dass Herr Popal existiert", so Geulen zu Popals Recherchen in Kundus. Die Anwälte kritisierten, dass deutsche Behörden dort nicht recherchierten, sondern sich auf afghanische verließen. Deren Angaben seien "willkürlich".
Popal und Docke werteten ihre frühere Zurückweisung durch das Ministerium als Manöver, mit dem ein Keil zwischen sie und die Opfer getrieben werden sollte, um einen Präzedenzfall zu verhindern. Popal war seitdem wieder in Kundus und ließ sein Mandat mit 79 Vollmachten für 456 Hinterbliebene und Verletzte bestätigen. Ihm zufolge forderte der Angriff 137 Tote. Bisher sei niemand entschädigt worden, obwohl dies "schnell und unbürokratisch" zugesagt worden sei. Die Anwälte fordern pro Getötetem 28.000 Euro Entschädigung, wie dies in vergleichbaren Fällen gezahlt worden sei.
Der Anwalt Wolfgang Kaleck vom "European Center for Constitutional and Human Rights" erklärte, dass er am Vortag bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden Ermittlungen gegen den für den Angriff verantwortlichen Oberst Georg Klein beantragt habe – wegen fahrlässiger Tötung, wenn nicht gar Mord. Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen hatte die Bundesanwaltschaft eingestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken