Oper „Rheingold“ in München: Ein opulenter Clou
Tobias Kratzer gehört zu den angesagtesten Opernregisseuren der Republik. Aktuell inszeniert er Wagner an der Bayerischen Staatsoper in München.
München hat eines der wichtigsten deutschen Opernhäuser. Mit großer Wagner-Tradition. Auch deshalb brauchen der Intendant Serge Dorny und sein Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski einen neuen „Ring des Nibelungen“. Auf ein paar Jahre verteilt, aber aus einer künstlerischen Hand, als eine Geschichte.
Tobias Kratzer wird ihn inszenieren. Er ist einer der angesagtesten Regisseure der Republik und wird im Sommer 2025 Intendant der Staatsoper in Hamburg. Zu seinen Erfahrungen mit Wagner gehört sogar schon eine Götterdämmerung. Sein Tannhäuser ist in den letzten Jahren zum größten Erfolg bei den Bayreuther Festspielen avanciert.
Kratzer hat erklärtermaßen eine Vorliebe für das Zyklische, also dafür, den Zusammenhang zwischen verschiedenen Werken herauszuarbeiten. In Berlin macht er das an der Deutschen Oper gerade mit Werken von Richard Strauss. Er hat auch schon einen Zyklus von Opern des Wagner-Widersachers Giacomo Meyerbeer inszeniert. Wagners Ring-Vierteiler ist also eine Steilvorlage für ihn.
Das erste, was man auf der Bühne klar erkennt, ist ein Schriftzug an einer Kirchenfassade mit Nietzsches Befund „GOTT IST TOT“. Davor versucht ein lebensmüder Alberich, sich zu erschießen. Bis die als junge Aktivistinnen aufkreuzenden Rheintöchter ihn ablenken, ihm etwas vorgaukeln und ihn dazu bringen, ihnen das Rheingold zu stehlen. Eine von ihnen schießt Alberich an. In der Kirche haben die alten germanischen Götter währenddessen begonnen, ihren Altar restaurieren zu lassen.
Kulissengotik und prächtige Gewänder
Wotan hat Flügelhelm, Umhang und Speer wie früher, als die Götter noch etwas zu melden hatten. Die Götterburg Walhall ist hier zu diesem gotischen Prunk-Altar mutiert und der Sitz der Götter. Wenn sie am Ende ihre Plätze darin einnehmen und sich von hereinströmenden Menschen bestaunen lassen, dann ist das nur der opulente Clou in einer ganzen Reihe von großartigen Theaterbildern. Kostümbildner Rainer Sellmaier hat jedenfalls mit seiner Kulissengotik und bei den prächtigen Gewändern für die Götter voll zugelangt.
Eindrucksvoll ist der Auftritt von Urmutter Erda (großartig interpretiert von Wiebke Lehmkuhl). Sie sagt den Göttern ungefragt ihren Untergang voraus. Diesmal inklusive einer szenischen Vision. Dazu dreht Erda mit Alberichs Ring an ihrem Finger die Zeit bis zum flammenden Inferno – dem Finale des vierten Ringteils der Götterdämmerung – vor und dann wieder zurück.
Der Nibelungenboss Alberich und Chef-Gott Wotan sind für Kratzer im „Rheingold“ als Gegenspieler die zentralen Figuren. Eine wichtige Szene ist immer der Abstieg Wotans und Loges nach Nibelheim zu Alberich. Dort wollen sie sich die Mittel verschaffen, um die offene Rechnung bei den Walhallbauleuten zu bezahlen, die ersatzweise die Göttin Freia entführt haben.
Feuergott als smarter kettenrauchender Analytiker
„Das Rheingold“ in einer Inszenierung von Tobias Kratzer ist wieder am 31. Oktober an der Bayrischen Staatsoper in München zu sehen.
Bei Kratzer ist das eine Zeit- und Weltreise. Alberich finden sie in einer der berühmten Erfinder-Garagen in Amerika und entführen ihn von dort. Wieder daheim, erniedrigt Wotan Alberich, splitternackt muss er sich auf dem Boden wälzen. Bis Wotan ihm den Ring samt Finger entreißt. Selten wird damit die Inbrunst, mit der Alberich den Ring und seinen jeweiligen Besitzer verflucht, so nachvollziehbar! Sean Panikka gibt den Feuergott Loge an Wotans Seite als smarten kettenrauchenden Analytiker.
Es ist jede Menge los in diesem „Rheingold“. Man darf gespannt sein, wie, wo und wann diese Geschichte eines Clashs der Zeiten und Welten wohl weitergeht. Musikalisch glänzen Jurowsky und sein Orchester mit theatralischer Verve. Das zentrale Gegensatzpaar dieses Ringteils mit Nicolas Brownlee als Wotan und vor allem Markus Brücks als geschundener Alberich ist das Highlight des Abends.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!