Opel soll an Magna gehen: Ist das Tauziehen nun zuende?
GM ist grundsätzlich bereit, Opel an Magna und seinen russischen Partner zu verkaufen. Details müssen noch verhandelt werden. Opposition spricht von "angeblicher Rettung".
Berlin taz | Das monatelange Pokern hat möglicherweise ein Ende: Der angeschlagene US-Automobilkonzern General Motors (GM) will seine europäische Tochter Opel an den kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna verkaufen, der mit der russischen Sberbank zusammenarbeitet. Das gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag bekannt.
Damit hat sich GM offenbar für ein Modell entschieden, für das sich in Deutschland Bund, Länder und Gewerkschaften starkgemacht hatten. Der Opel-Verkauf ist allerdings an Bedingungen verknüpft; das Geschäft könnte also in einigen Monaten noch scheitern. Die Bedingungen seien allerdings beherrschbar, so Merkel.
In den kommenden Wochen müssten noch einige wichtige Punkte geklärt werden, um verbindliche Vereinbarungen zu erzielen, teilte hingegen GM Europe mit. "Dazu gehören eine schriftliche Bestätigung der Arbeitnehmervertretungen, die Vereinbarung mit den notwendigen Kostenanpassungen zu unterstützen sowie der Abschluss eines definitiven Finanzierungspakets der Regierungen von Bund und Ländern." Die endgültigen Vereinbarungen sollten in den kommenden Monaten zum Abschluss gebracht werden.
Der österreichisch-kanadische Konzern Magna ist einer der weltgrößten Autozulieferer, der rund 240 Werke mit etwa 70.000 Mitarbeitern besitzt. 2008 erwirtschaftete er bei einem Umsatz von über 23 Milliarden Dollar 70 Millionen Dollar Gewinn. Zwar brach 2009 auch bei Magna der Umsatz ein, dennoch will Magna-Patriarch Frank Stronach mit dem Deal zu den ganz Großen aufschließen.
Mit dem Opel-Einstieg will Magna nun die Tür nach Osten aufstoßen. Schließlich ist die russische Sberbank seit 2008 Magna-Anteilseignerin. Die Bank gehört mehrheitlich dem Kreml, und der will die russischen Autowerke modernisieren. An dieser Idee wäre der Opel-Verkauf fast gescheitert. Zeitungen berichteten, die GM-Führung habe kein Interesse, dass ihre Technologie nach Russland abfließen könnte. Diese Befürchtungen ließen sich nun offenbar zerstreuen. (dpa)
Die Hängepartie bei Opel könnte also noch eine Weile weitergehen. Zwar dürften sowohl Arbeitnehmer als auch Bund und Länder zu Zugeständnissen bereit sein, um die von ihnen favorisierte Lösung zu bekommen – GM hat allerdings noch ein Hintertürchen offen, das es nach der Bundestagswahl nutzen kann.
Die Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke zeigte sich entsprechend skeptisch. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, das Vertragsbedingungen bislang Geheimsache sind. Er forderte die Bundesregierung auf, sämtliche Verhandlungsunterlagen offenzulegen. "Dabei ging es doch lediglich darum", argwöhnte Westerwelle, "dass man der Regierung es noch kurz vor der Wahl gönnen wollte, eine solche Erfolgsmeldung in die Medien zu bringen".
Renate Künast von den Grünen sprach von einer "angeblichen Rettung". Auch Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, äußerte sich zurückhaltend. "Wir wissen nicht, ob das Ganze denn auch stattfindet."
Auch nach dem Verkauf an Magna soll Opel im globalen Konzern-Verbund integriert bleiben. Der Rüsselsheimer Autobauer müsse im Produktentwicklungs- und Einkaufsverbund von GM eingebunden sein, teilte GM mit. "Dies ermöglicht es allen Seiten, vom Austausch von Technologie- und Entwicklungskapazitäten zu profitieren", sagte GM-Präsident Fritz Henderson. Beispielsweise könnten Fahrzeuge wie das Elektroauto Ampera, die mit teuren Antriebstechnologien ausgerüstet seien, nur mit vereinten Kräften auf den Markt gebracht werden.
"Opel kann nun einen Neuanfang machen", zeigte sich Merkel optimistisch. Deutschland werde nun das Gespräch mit seinen europäischen Partnern suchen, um die Lasten des Opel-Verkaufs fair zu regeln. Dabei geht es vor allem um den Abbau von Arbeitsplätzen an den europäischen Opel-Standorten, möglicherweise auch um Schließungen. Deutschland hatte GM mit einem Kredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gestützt. Diesen Kredit hätte Deutschland zurückgefordert, wenn GM Opel nicht verkauft hätte.
Im Einzelnen wird General Motors 55 Prozent der Opel-Anteile an Magna und Sberbank verkaufen. Weitere 10 Prozent soll die Belegschaft übernehmen. GM selbst wird 35 Prozent an der Gesellschaft, die "New Opel" heißen soll, behalten.
Damit hat sich GM letztlich für das Modell entschieden, das Magna zuletzt favorisiert hatte. Magna hatte zuletzt Staatshilfen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro gefordert und will selbst eine halbe Milliarde einbringen. Die Opel-Treuhand, der derzeit 65 Prozent von Opel gehört, hat betont, dass die deutschen Staatsgarantien über 4,5 Milliarden Euro nicht in Russland verwendet werden. "Die Mittel werden ausschließlich für New Opel verwendet", so Fred Irwin, Beiratschef der Opel-Treuhand. Die Treuhand soll nach dem Verkauf an Magna und die Sberbank aufgelöst werden.
Europaweit will Magna 10.000 Stellen abbauen. Opel hat in Europa zusammen mit der britischen Schwester Vauxhall rund 50.000 Beschäftigte, der Großteil davon in Deutschland.
Nach dem Magna-Konzept sollen die deutschen Standorte – Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern, Eisenach – erhalten bleiben; Antwerpen und das britische Luton stehen möglicherweise auf der Kippe. Das sieht auch GM derzeit so. In Bochum zum Beispiel würden aber dem derzeitigen Stand nach 2.000 von 4.900 Arbeitsplätze gestrichen.
Das Konsortium um Magna will vor allem den russischen Markt erobern; es hofft kurzfristig auf einen Marktanteil von 20 Prozent. Grundsätzlich dürften die russischen Partner – wie schon bei der Übernahme der mecklenburgischen Wadan-Werften durch einen russischen Investor – auch am Zugang zu westlichem Industrie-Know-how interessiert sein.
Die IG Metall warnt vor Euphorie. Zwar sei die Entscheidung zu begrüßen, doch jetzt beginne erst die Arbeit, so NRW-IG-Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard. "Wir machen uns keine Illusionen. Auch mit Magna wird das kein Spaziergang, aber wenigstens steht jetzt die Richtung fest."
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