Opel-Rettung: "Investoren erpressen die Politik"
Autoexperte Wolfgang Meinig hält Fiat für einen schlechten Investor und spricht von Wahlkampf-Kasperletheater in Berlin
taz: Herr Meinig, aus der Sicht eines Investors gesprochen: Ergibt ein Einstieg bei Opel Sinn angesichts der Krise in der Branche?
Wolfgang Meinig: Für die Investoren ist Opel ein Schnäppchen. Ihr Kalkül ist, zu einem niedrigen Tarif komplette und funktionsfähige Entwicklungs- und Produktionsstätten in Europa zu bekommen. Was da geboten wird, entspricht nicht ihrem wirtschaftlichen Wert.
Würden die Verhandlungen mit den möglichen Investoren anders verlaufen, wenn im Herbst keine Bundestagswahl wäre?
leitet seit 1989 die Forschungsstelle Automobilwirtschaft an der Uni Bamberg. Ein Schwerpunkt der Forschung sind Untersuchungen zur Zufriedenheit im Verhältnis von Händlern, Herstellern und Zulieferern sowie Prognosen zu Neuwagenzulassungen.
Dieses ganze Kasperletheater in Berlin ist im Wesentlichen vom Wahlkampf bestimmt. Das wissen auch die Investoren. Die erpressen im Grunde die Politik.
Fiat will einen Weltkonzern schmieden: aus Chrysler, einem insolventen amerikanischen Autohersteller, und Opel, einem fast insolventen deutschen Unternehmen. Kann das Unterfangen überhaupt funktionieren?
Das Vorhaben gehört für mich zur Kategorie des groben Unfugs. Fiat schiebt selbst 6 bis 7 Milliarden Euro Schulden vor sich her. Sie haben keine liquiden Mittel zum Investieren, keinen Zugang zu der in Amerika gelebten Kultur, geschweige denn zu Belgiern oder Briten, wo ebenfalls Opel-Werke stehen. Die Methoden, mit denen Fiat Einfluss gewinnen will, sind denen von Herrn Berlusconi nicht unähnlich. Wir untersuchen seit 20 Jahren die Zufriedenheit der Händler von 25 Fabrikaten in Deutschland. Fiat hat es nie geschafft, sein Händlernetz zu führen, im Jahr 2008 waren sie Schlusslicht. Opel hat dagegen das zufriedenste Händlernetz unter den deutschen Fabrikaten - trotz der Misere, weil man in der Krise zusammensteht und miteinander redet.
Ist das Angebot des Zulieferers Magna besser, mit dem Opel den russischen Markt erobern könnte?
Das Management von Magna hat bewiesen, dass sie präzise arbeiten und technologisch Spitze sind. Was mich zum Stirnrunzeln bringt, ist das russische Engagement. Die Gesellschaft Gaz will zusammen mit der russischen Sberbank die Finanzmittel stemmen, die Bank ist aber schwer verschuldet.
Wäre denn eine Insolvenz von Opel die bessere Lösung?
Eine Insolvenz ist heute kein Schreckgespenst mehr, weil sie darauf ausgerichtet ist, die gesunden Unternehmensteile herauszuschneiden. Aber bezüglich der Angebote ist noch lange nicht das letzte Wort gesprochen. Erst seit Mittwoch ist Opel von General Motors freigestellt und hat Zugriff auf Technologie und Patente. Damit haben Investoren eine größere Sicherheit. Aber wenn das Hickhack in Berlin weitergeht, ist der Schaden größer als bei einer Zahlungsunfähigkeit von Opel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers