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Online-Netzwerke in DeutschlandFacebook schluckt sie alle

Nach SchülerVZ hat auch „Wer kennt wen“ vor Facebook kapituliert. Der Online-Marketing-Stratege Jona Hölderle weiß, woran viele Netzwerke kranken.

„Facebook kauft, was ihm gefährlich wird“, sagt Hölderle. Bild: dpa
Daniel Bouhs
Interview von Daniel Bouhs

taz: Herr Hölderle, gerade ist „Wer kennt wen“ vom Netz gegangen. Überrascht?

Jona Hölderle: Ach, wer sich mit sozialen Netzwerken beschäftigt hat, dem war schon lange klar: Nach Schüler- und StudiVZ waren auch „Wer kennt wen“ und „Lokalisten“ auf dem absteigen Ast. Unternehmen, Politikern und Prominenten haben all diese Plattformen nicht viel geboten, um sich ihren Fans zu präsentieren oder neue zu adressieren – ganz anders als Facebook.

Was haben die deutschen Plattformen falsch gemacht?

Ich weiß gar nicht, ob sie etwas falsch gemacht haben. Soziale Netzwerke neigen zur Monopolbildung – wie vieles im Netz. Die deutschen Alternativen haben zwar einen Moment lang regionale Milieus abgreifen können – „Wer kennt wen“ vor allem das Rheinland, „Lokalisten“ wiederum den Süden, die VZ-Netzwerke die Jungen. Dann kam aber Facebook, in dem auch die „Generation Erasmus“ ihre Studienfreunde wiedergefunden hat. Und das Abwandern war nur eine Frage der Zeit.

Patriotismus hat im Digitalen also keine Chance?

Vielleicht in China und Russland – weil die Konkurrenz dort gezielt klein oder gleich ganz draußen gehalten wird. Ansonsten fürchte ich, dass sich immer der durchsetzt, der besonders gut darin ist, eine Plattform in alle möglichen Sprachen zu übersetzen.

Waren die Gründer und Investoren von „Wer kennt wen“ (RTL), den VZ-Netzwerken (Holtzbrinck) und „Lokalisten“ (ProSiebenSat.1) also naiv?

Die Gründer sind doch rechtzeitig mit großen Gewinnen ausgestiegen. Und für die Mediengruppen, die dann kamen, muss das auch kein schlechtes Geschäft gewesen sein: Sie konnten eine Zeit lang Werbung schalten, während Facebook noch ein vergleichsweise kleines Netzwerk war, das deutsche Nutzer noch gar nicht im Blick hatte.

Im Interview: Jona Hölderle

31, berät mit seiner Berliner Agentur „Pluralog“ Vereine und Nichtregierungsorganisationen in Sachen Online-Kommunikation

„Wer kennt wen“ hat seinen Nutzern empfohlen, zu „Seniorbook“ zu wechseln …

… oder zu einer Dating-Community. Das hat wohl mit dem gemeinsamen Eigentümer zu tun und weniger mit einer durchdachten Empfehlung. Aber auch Seniorbook dürfte nur eine Weile funktionieren: Bei Facebook sind schon heute etwa 750.000 Nutzer aus der Generation „50 plus“ aktiv, die sich im vergangenen Monat mindestens einmal eingewählt haben.

Und das berufliche Netzwerk Xing aus Hamburg ist dann der Nächste, der ausgesaugt wird? Hier verhält sich das wie einst mit Facebook: Der US-Anbieter LinkedIn hat seine Plattform ins Deutsche übersetzt und hier auch ein eigenes Büro für die Vermarktung eröffnet.

Diese Möglichkeit besteht natürlich. Andererseits: Der Arbeitsmarkt ist dann doch eine nationale Sache – Xing versucht, sich das zunutze zu machen, und hat etwa die Plattform Kununu übernommen, auf der Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber bewerten können. Solche Dienste dürften der Konkurrenz aus den USA vermutlich zu kleinteilig sein. Aber ob das reicht? Ich wage die Prognose: Xing macht es noch ein paar Jährchen, aber nicht auf Dauer.

Am Ende wird es also nur noch Facebook geben?

Der Trend zeigt zumindest derzeit klar in diese Richtung: Facebook übernimmt, was ihm gefährlich werden könnte. Erst das Fotonetzwerk Instragram und dann mit WhatsApp ein Netzwerk, in das junge Nutzer geflüchtet sind, weil sie keinen Bock darauf hatten, auf Facebook ihren Eltern über den Weg zu laufen. Mein persönlicher Traum ist, dass man sich so wie bei der E-Mail auch bei sozialen Netzwerken seinen Lieblingsanbieter aussucht und trotzdem in alle anderen Netzwerke reinschauen kann. Aber das widerspricht leider der derzeitigen Marktlogik.

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8 Kommentare

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  • Als einer der Gründer von seniorbook erlaube ich mir an zwei Stellen einzuhaken:

    1. seniorbook und wkw haben nicht den gleichen Eigentümer. seniorbook ist privat und unabhängig finanziert.

    2. seniorbook zählt per Mai 2014 rund 500.000 Nutzer (im Kern Ü50), die sich im letzten Monat mindestens einmal eingewählt haben.

    Beide Angaben sind auf unserer Seite öffentlich ausgewiesen.

     

    Aber egal ob 750.000 oder 500.000 Nutzer: Fakt ist, dass Menschen ab Mitte/Ende 40 erhebliche Skepsis zeigen gegenüber sozialen Netzwerken. Von rund 40 Millionen sind keine 15% in sozialen Netzwerken aktiv.

    Das liegt einerseits an mangelndem Vertrauen in Datenschutz und Sicherheit. Zum anderen sehen viele Menschen keinen Sinn oder Reiz in der Nutzung solcher Online Netzwerke. Genau diese beiden Punkte greift seniorbook auf und verzeichnet aktuell jeden Tag zwischen 400 und 500 neue Mitglieder.

    Thomas Bily, Vorstand Seniorbook AG

  • Mir fehlt hier die Erwähnung der dezentralen Netzwerk-Alternativen Friendica und Diaspora, mit denen man auch jeweils seine Facebook-Kontakte einbinden kann. Und was ist mit Twitter?

  • Oder man geht diesem Möchtegern-Monopol "Facebook & Anhänge" einfach ganz aus dem Weg.

    Ich gehöre zur Generation 40+, war lange bei wer-kennt-wen und bin beruflich bedingt auf xing.

    Als wkw aufhörte, ich mich aber nicht zum Datensklaven von NSA & Werbeindustrie machen lassen wollte, entschied ich mich, dass wenn es zukünftig nur noch deren "Aussenposten Fratzenbuch incl. angeschlossene Dienste" geben sollte, eben auf soziale Netztwerke wieder ganz zu verzichten.

     

    Schon vergessen ?

     

    Es gab mal Zeiten, da hat man sich mit Freunden & Bekannten ganz persönlich unterhalten, im direkten Gespräch per Verabredung oder auch per Telefon, wenn das anders sonst nicht möglich war.

    Das erlaubte eine viel direktere und damit fundiertere Kommunikation (auch zwischenmenschlich) als dieses Chat-Geschnattere auf Fratzenbuch oder sonstwo.

     

    Ich empfand es nach langer Zeit der online-Schwätzerei als wohltuend, mit Leuten wieder perönlich-menschlich-direkt zu kommunizieren; solcherart Kommunikation bleibt hinterher übrigens auch viel nachhaltiger im Bewusstsein haften.

    Und wenn es wirklich mal schnell und schriftlich sein muss; das gute alte Emailsystem mit Dateianhängen, das gibts ja auch noch.

     

    Ich habe bis jetzt jeder Verabredung, jeden Einkauf und auch jede erfolgreiche Jobbewerbung perfekt ohne Fratzenbuch hinbekommen.

     

    Also ich bin zu dem Schluss gekommen, dass soziale Netzwerke zwar was Nettes sein können; lebenswichtig aber sind sie nicht. :-)))

    • @Maharishi:

      Ich stimme ihnen zu! Ich gehöre zur Generation 50+ und war noch nie bei Fratzenbuch, glücklicherweise. Sonst könnte ich meine Daten auch gleich an die NSA senden. Leider ist die Aufklärung über das Geschäftsmodell von Fratzenbuch noch in den Kinderschuhen - warum sollte ich erlauben, dass ein US-Unternehmen mit meinen Daten Geld verdient? Einer aus unserem Bekanntenkreis war 2 Jahre bei Fratzenbuch, als er merkte, dass seine wirklichen sozialen Kontakte verloren gingen und er plötzlich Meinungen seiner "digitalen" Freunde vertrat, die nicht seine Eigenen waren. Glücklicherweise hat er die Kurve gekriegt und bei Fratzenbuch gekündigt, was ihm zum Dank noch einen gewaltigen Shitstorm einbrachte. Es gibt da ein schönes kleines Programm: "Facebook Disconnect"!

      • @antares56:

        P.S.: Ich muss dazu noch sagen, dass Facebook Disconnect nicht meine Anmeldung bei Fratzenbuch stört (wenn ich es denn wollte), nur alle Anfragen von Fratzenbuch, die hinter meinem Rücken laufen und von mir nicht authorisiert sind, werden geblockt Und die finden auf fast jeder Internet-Seite statt!

    • @Maharishi:

      Selbst als Archäologe kann ich Ihnen sagen: Ohne Facebook und Whatsapp wäre jede Grabung, auf der auch nur mehr als zwei Leute am Werk sind, kommunikationstechnisch die Hölle.

    • @Maharishi:

      Eine interessante Sichtweise, jedoch nicht auf die Allgemeinheit anwendbar. Es gibt bereits Jobs und Lebensmodelle bei denen ein täglicher Blick ins soziale Netzwerk nicht ausbleibt bzw. ausbleiben kann. Ich wäre in dem was ich tue wahrscheinlich ziemlich schnell abgehängt.

      Sehen wir den Tatsachen ins Auge, die alten Zeiten in denen man irgendwo einfach geklingelt hat um zu schauen ob derjenige zu Haus ist und Zeit für einen hat sind wohl erst mal vorbei. Das kann man gut oder schlecht finden, aber pauschal zu behaupten die eine Art der Kommunikation wäre besser/schlechter als die Andere finde ich doch etwas weit gegriffen. Hier wird wieder gerne der Untergang der Menschheit propagiert, wie auch schon als sich das Radio durchsetzte, oder das Fernsehen, oder noch viel Früher das Buch. Die Frage ob wir so etwas „brauchen“ ist mittlerweile obsolet. Es ist da und auch ein fester Bestandteil der modernen Gesellschaft, weshalb gerade junge Menschen (da gehören Sie ja zum Glück oder leider, das können sie sich selbst aussuchen, nicht mehr dazu) kaum noch auf ein Konto bei „Fratzenbuch“ verzichten können, es sei denn sie wollen sich zum „digitalen Eremiten“ erklären und auf eine Gemeinschaftlichkeit mit Gleichaltrigen verzichten.

      Als letztes noch ein Wort zum „Datensklaven“. Denken Sie wirklich, dass Ihre Daten bei WKW, also RTL (das sind die mit den Doku-Soaps und Reality-TV-Sendungen) besser aufgehoben waren?