"One Laptop Per Child"-Projekt: Microsoft drängt aufs Volkslaptop
Das OLPC-Projekt ist stolz darauf, dass sein Laptop für die Armen auf Linux läuft. Doch will Microsoft für den Computer sein XP recyceln.
Das "One Laptop per Child"-Projekt (OLPC) will Millionen von Rechnern Kindern in den Ländern der Dritten Welt in die Hände geben, damit diese die Wunder der Informationswelt kennen lernen können. Die ersten 100.000 Stück der Billig-Laptops werden derzeit in China produziert, das vom MIT Media Lab-Gründer und Online-Guru Nicholas Negroponte angeschobene Projekt scheint endlich in die Gänge zu kommen. Bislang läuft auf den kleinen, robusten Maschinen eine eigens angefertigte, kinderfreundliche Version des Open-Source-Betriebssystems Linux. Doch das könnte sich bald ändern, wenn es nach dem Softwareriesen Microsoft geht.
Microsoft drängt plötzlich mit ins Boot. Dabei hatte der Konzern den OLPC bislang eher abgelehnt - sich gar in Konkurrenz für ein Bildungssmartphones stark gemacht. Offensichtlich ist das Neugeschäft in den stark wachsenden IT-Märkten der Schwellenländer dann doch zu attraktiv: Der Konzern testet derzeit laut US-Medienberichten eine abgespeckte Version von Windows XP, die OLPC-fähig sein soll. Diese könnte dann je nach Wunsch des Bestellers, zumeist Regierungsorganisationen, direkt oder im Nachhinein auf den Bildungslaptops eingespielt werden. Neben Windows soll außerdem auch eine spezielle Version von Microsoft Office auf die Maschinen.
Problematisch ist nur, dass das mit der jetzigen Hardware Experten zufolge nicht gehen wird. Der OLPC-Rechner namens "XO" besitzt aktuell einen Flash-Speicher von 1 GB, der sich Berichten zufolge auch durch Karten nicht erweitern lässt. Windows XP samt Office bräuchte aber mindestens 2 GB. James Utzschneider, ein bei Microsoft für das Marktsegment zuständiger Manager, sagte, das OLPC-Projekt könnte das Problem lösen, in dem man dem XO einen zusätzlichen Kartenschlitz spendiert: "Dann könnte man die 2 GB Zusatzspeicher nachrüsten." Microsoft lockt mit den Tausenden von Bildungsanwendungen, die jetzt bereits für Windows verfügbar seien. Diese könnten XO-Schüler mit Windows sofort nutzen.
Das OLPC-Projekte ignoriert den Vorschlag bislang, zumindest öffentlich. Nach Außen dringt allein die Botschaft des OLPC-Wikis, dass Gerüchte über einen Strategiewechsel von Linux hin zu XP falsch seien. "Andererseits wissen wir aber auch, dass Microsoft an einer Windows-Version für den XO arbeitet", heißt es dort. Die könnte nun, sollte alles gut gehen, 2008 fertig sein. Erste, eingeschränkte Testversionen sind für Frühjahr zu erwarten, war zu hören. Mitte 2008 sei mit Versionen in Produktqualität zu rechnen.
Microsoft nimmt den OLPC offenbar sehr ernst: Utzschneider teilte mit, zusammen mit externen Entwicklern komme man bereits auf 40 Ingenieure, die an dem Thema arbeiteten. Das ist zwar keine massive Mannstärke für ein Projekt, dessen Geldwert keineswegs feststeht, aber dennoch bemerkenswert - insbesondere, wenn man bedenkt, dass Microsoft sich immer noch nicht sicher genug fühlt, offizielle Pläne zur des Volkslaptops XO zu enthüllen und stattdessen auf Blogs und ansonsten stille Post setzt.
Das OLPC-Projekt vermeldet unterdessen erste Erfolge mit seinem so genannten "Give On, Get One"-Vorhaben. Seit vier Wochen kann man sich für 400 Dollar einen XO-Rechner nach Hause bestellen, ein zweiter geht in die dritte Welt. Auf diese Art sollen inzwischen 24 Millionen Dollar in die Kassen gespült worden sein, hieß es in Medienberichten - allein aus den USA und Kanada, wo die Aktion exklusiv läuft. Nun wurde die Aktion bis zum Jahresende verlängert.
Auch von Regierungsseite gibt es inzwischen mehr Bestellungen: So wurde am Dienstag gemeldet, dass das Erziehungsministerium in Panama 40.000 XO-Maschinen kaufen will, mit einer Option auf 210.000 mehr. Zuvor hatte bereits Uruguay für 100.000 Rechner unterzeichnet, das erwägt, darüber hinaus 300.000 weitere Laptops zu bestellen.
Das 2005 gegründete OLPC-Projekt kämpfte nach schnellen Erfolgen bei Hard- und Softwareentwicklung zunächst mit einer schleppenden Resonanz bei der Zielgruppe - den Regierungen der Dritten Welt. Zwar wurden viele Absichtserklärungen getätigt, Verträge jedoch erst einmal nicht unterschrieben. Der Knoten ist offenbar nun geplatzt.
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