piwik no script img

Ommanipadmehum!

■ In seinem 24. Film sagt Herbert Achternbusch wieder mal leise Servus zu Bayern und reitet spornstreichs „Ab nach Tibet!“ (Forum)

Herbert Achternbusch schreibt und malt und inszeniert und filmt seit 25 Jahren einen unendlichen Text mit wechselnden Schauplätzen: Ambach, München, Grönland, Afrika, Paris, China, die Mongolei und USA.

In seinem 24. Film ist Achternbusch in Tibet angekommen, und aus dem rabiaten Antikatholiken, dem auch noch die blödeste Witzelei gut genug war, um die CSU zu beschimpfen, ist ein weiser Buddhist geworden. Der einst verzweifelt um sich schlagende Heimatfilmer – „So, und wie ist die Wirklichkeit? Hau doch ab, du blöde Sau! Das ist meine Wirklichkeit“ –, gehört zu den ganz wenigen deutschen Regisseuren, die Deutschland hinter sich gelassen haben.

Achternbusch, der sich spätestens seit „Rita Ritter“ vom Klischee des witzelsüchtigen bayrischen Bierkampf-Anarchisten in Valentin-Nachfolge entfernt, hat seine „Heimat“ inzwischen so gut wie aufgegeben. Im ersten Teil von „Ab nach Tibet!“, dem „Wirtschaftsfilm“ „Es tut nicht mehr weh“, gibt es immer noch die für ihn typischen Orte und Sujets: das Wirtshaus, resolute Kellnerinnen, eine Nonne (Annamirl Bierbichler), einen Schwarzen am Kreuz („Ist doch besser, als daß man ihn abschiebt“ [Der beste Achternbusch-Spruch seit mindestens 15 Jahren. d. s.in.] und den Englischen Garten.

Die Nonne, die Frau von Hick, dem naiven Fuchs, den wir noch aus seinem „Last Stand“ kennen, lehrt ihre Schülerinnen chinesische Philosophie, die Kellnerinnen erzählen in langen Passagen – zwölf Weißbier auf dem Tablett –, als was sie wiedergeboren werden wollen. Eine möchte tatsächlich „immer wieder bedienen“.

Hick, also Achternbusch als der Kaminkehrer, der vom Dach des Münchner Beck-Kaufhauses, auf dem er schon in „Mix-Wix“ lange meditierte, aufs Dach der Welt schaut, möchte als Weißbier wiedergeboren werden. Seine Tochter, in die er verliebt ist, Su (Judith Tobschall), war in ihrem früheren Leben eine Schneeflocke; der tut nichts mehr weh. Zwischendurch tauchen immer wieder Bilder von schönen Blumen auf. Als schöne Asiaten mit pechschwarzen Haaren rennen die Protagonisten durch den ersten Teil.

Ein verliebter Achternbusch hat also einen (buddhistischen) Liebesfilm gedreht. In einer begeisternden, violett eingefärbten, mit fernöstlichen Tönen unterlegten Passage verabschiedet sich die bayrische Hauptstadt, als läge sie schon ganz woanders. In China, in Japan (die weißgefärbten Gesichter erinnern an japanisches Theater) oder in Tibet.

Doch um nach Tibet zu kommen, muß man erstmal sterben. Brennend rennt Hick durch die Gegend. Franz Baumgartner ist auch wieder dabei, spielt auf ewig und wahrscheinlich auch im nächsten Leben mit großer Meisterschaft den Polizisten.

Im zweiten Film-Teil, in Tibet, im „Autorenfilm“, der „Die letzte Illusion“ überschrieben ist, heißt Hick dann nur noch „Lachender Fluß“ und meditiert vor dem Himalaya, als Mönch mit grauen wehenden Haaren und langen Fingernägeln.„Hör nicht hin“, flüstert Su, als wäre sie nur ein leichter Liebeswind gegen das Tosen der Weltgedanken.

Am Rande des Kitsches werfen sich Su und Hick Totenköpfchen zu. Ein roter Steifftier-Frosch ist das Herz, das man in die Luft hängt, damit es die Krähen fressen. Die Papierblätter sind weiß, denn es ist nicht gut, daß die Dinge Namen haben. „Hüte dich vor allem, was es gibt.“

Wie alles, was er bisher gemacht hat, ist auch dieser Film existentialistisch; diesmal geht es Herbert Achternbusch tatsächlich um Erleuchtung. Das mag für viele, die gern grob lachen, kitschig klingen; echte Buddhisten sollten vielleicht entscheiden, ob es der rechte Weg ist. „Ab nach Tibet!“, ein Wendepunkt nach tausend verzweifelt- komischen Rebellionen, ist ein Meisterwerk.

Vielleicht.

Detlef Kuhlbrodt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen