Deutsche Bewerbungen für Olympia: Olympischer Vierkampf
Gleich vier deutsche Bewerber träumen von der Ausrichtung Olympischer Spiele und Investitionen in Infrastruktur. Vergangenen Niederlagen zum Trotz.

Die Muskelspiele haben begonnen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder stellte unlängst klar: „Wir finden, die Olympischen Spiele sollten in München sein.“ Möglicherweise hat da Berlins Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) einen Pluralis Majestatis herausgehört. Denn sie betonte einige Tage später bei der Vorstellung der Hauptstadtpläne, man strebe keine „One-Man-Show wie im Süden“ an.
Zur Rhein-Ruhr-Bewerbung hielt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst in aufreizender Unbescheidenheit fest: „Als Sportland Nr. 1 unterstützen wir eine mögliche deutsche Bewerbung für die Olympischen & Paralympischen Spiele.“ Nur in Hamburg ist man noch nicht so richtig im Wettkampfmodus angekommen. An diesem Samstag präsentieren die Norddeutschen ihre Pläne als Letzte, just am Tag der Abgabefrist.
Der olympische Vierkampf ist eröffnet. Die Grobkonzepte der Bewerber München, Rhein-Ruhr, Berlin+ und Hamburg für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 liegen nun dem Deutschen Olympischen Sportbund vor. Wer die Statements der Kandidatenteams dieser Tage verfolgt hat, staunt vermutlich nicht schlecht, wie viele Olympiafreaks in der deutschen Politik unterwegs sind.
Denn politische Gewinne waren zuletzt mit Olympiabewerbungen nicht zu erzielen. Die vorherigen sieben Versuche scheiterten allesamt, in München (Winterspiele 2022) und Hamburg (Sommerspiele 2024) – besonders schmerzhaft – letztlich an Bürgerbefragungen. Resigniert schüttelten die Verantwortlichen die Köpfe, eine systematische Aufarbeitung des Scheiterns fand nie statt.
Der Rausch der Sommerspiele 2024 von Paris, wo der Weltsport sich mit dem Flair der Wettkampfstätten vor historischer Stadtkulisse prächtig verband, wirkt indes in Deutschland nach. Berlin plant jetzt mit Beachvolleyball am Brandenburger Tor, München mit Dressurreiten vor Schloss Nymphenburg, die Straßenradsportwettbewerbe in Köln dürften unweigerlich den Dom streifen und in Hamburg hatte man bereits bei der vorigen Bewerbung Medaillenentscheidungen vor dem Rathaus im Visier.
Mittlerweile sind einstige grundsätzliche Olympiakritiker wie die bayerischen Grünen zu Befürwortern der Spiele geworden. Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende des Landtages und ehemals Sprecherin von Noylmpia München, erklärte jüngst der FAZ, man könne auch den eigenen Sportler:innen nicht zumuten, dass die Olympischen Spiele vorwiegend an autokratische Staaten vergeben werden.
Statt nur zu kritisieren, müsse man wie in Paris zeigen, dass man es besser könne. Die Ablehnung des Naturschutzbundes Bayern teilt sie nicht. Ökologisch seien die Sommerspiele anders als Winterspiele zu bewerten – wegen der wegfallenden künstlichen Beschneiung.
„Nur mit Olympia lösbar“
Es verändert sich einiges. Als der Stadtrat von München sich diese Woche mit großer Mehrheit für eine Olympiabewerbung aussprach, verstieg sich CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl zu einer steilen These: Münchens Infrastrukturproblem sei „nur mit Olympia lösbar“. Finanzhilfen von Land und Bund werde es allein mit dem Zuschlag für die Spiele geben. Der Traum von der olympischen Erlösung wirkt sonderbar verzweifelt. Klagten die Olympiagastgeber der Vergangenheit nicht darüber, dass das IOC große Gewinne einstrich und sie auf den Kosten sitzen ließ?
So konkret wie in München sind die Pläne bislang nirgendwo sonst. Mit den Olympischen Spielen soll das U-Bahnnetz mit einer neuen U9-Strecke und einer Erweiterung der U4 aufgebessert werden. Mit dem noch zu bauenden Olympischen Dorf in Daglfing sollen 4.000 bezugsfertige Wohnungen für etwa 10.000 Münchner entstehen. Die Nutzung zahlreiche Wettkampfstätten von den ersten Olympischen Spielen in München 1972 ist geplant. Touristischer Wiedererkennungseffekt: die Einbindung des Oktoberfestgeländes auf der Theresienwiese.
Ob all das so kommt, entscheiden die Münchner schon am 26. Oktober. Eine forsche Vorgehensweise. Möglich ist ein schnelles Scheitern, aber auch ein frühes Aufbruchssignal, das einen nicht unbedeutenden Vorsprung verschaffen könnte. Eine Unterstützung durch die Bevölkerung wäre ein Booster im Wettkampf mit der Konkurrenz.
Nolympia mobilisiert
In Berlin dagegen hat nicht das Bewerberteam, sondern die seit den 1990er Jahren mobilisierungsbegabte Nolympia-Bewegung angekündigt, eine Volksbefragung zu initiieren. Der Berliner Senat zieht einer möglichen Abstimmungsniederlage Dialogveranstaltungen vor. Der vorausschauende DOSB schreibt den Bewerbern nicht zwingend ein Referendum vor.
Berlin+ versucht nicht nur mit seiner vergleichsweise größeren internationalen Strahlkraft zu punkten, sondern setzt neuerdings auf Teamwork und Spiele in mehreren Bundesländern. Bei der Präsentation der Pläne wartete Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner mit der größten Ministerpräsidentendichte auf (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein). Dazu kam Bündnispartner Armin Schuster, der Sächsische Staatsminister des Inneren, der erklärte: „Berlin+ ist das einzige wahre Gemeinschaftswerk.“
Klassische olympische Reize
Beim Rhein-Ruhr-Konzept fällt hingegen auf, dass die Macher auf klassische olympische Reize setzen. Mit einem Schwimmbecken in der Schalker Arena will man Rekorde setzen. Kraulen vor 60.000 Menschen, das hat es noch nie gegeben. Zehn Millionen Tickets will Rhein-Ruhr verkaufen. Auch das wäre eine neue olympische Bestmarke. Ganz klein haben sich die Olympiaplaner hier allerdings gefühlt, als 2021 die Bewerbung für die Sommerspiele 2032 bereits im Vorfeld an der fehlenden Vernetzung mit dem IOC scheiterte. Im eigenen Eifer hatte man nicht mitbekommen, dass sich die Herren der Spiele bereits auf Brisbane in Australien verständigt hatten.
Wer aus dem olympischen Vierkampf als Sieger hervorgehen wird, ist schwer zu prognostizieren. Auch weil der DOSB das Gremium, das 2026 eine Vorauswahl treffen soll, erst noch bestimmen will. Es soll sich aus Sport, Politik und Gesellschaft zusammensetzen. Deren Entscheidung muss dann noch von der DOSB-Mitgliederversammlung bestätigt werden.
Es ist eine Entdemokratisierung von Entscheidungsprozessen, die den Gewinner schon mal auf die nächste Etappe vorbereitet. Denn im Wettstreit mit der internationalen Konkurrenz werden nach den bisherigen Regeln nicht die IOC-Mitglieder den Ausrichter der Olympischen Spiele bestimmen, sondern ein kleines erlesenes Gremium um die IOC-Präsidentin Kirsty Coventry.
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