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Olympische Spiele in DeutschlandVielleicht doch ein zu heißer Sommer

Andreas Rüttenauer

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Andreas Rüttenauer

Nach Münchens Votum für die Spiele freuen sich Mitbewerber auf den fairen Wettbewerb. Bekannt sind aber nur Visionen von gestern für Spiele von Morgen. 

In München will man die Spiele. Bei einem Bürgerentscheid zur Bewerbung überwog das „Ja“ Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa

K lar, den Münchner Olympiabewerbern kann es jetzt gar nicht schnell genug gehen. Nachdem fast zwei Drittel der Leute in der Stadt sich dafür ausgesprochen haben, dass sich München für olympische Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 bewirbt, sähe es vor allem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gerne, wenn nicht erst Ende nächsten Jahren darüber entschieden wird, wen Deutschland ins Rennen um die Ringe schickt. Für ihn ist der deutsche Vierkampf eigentlich schon entschieden. Hamburg, Berlin und die Region Rhein-Ruhr sind in seinen Augen chancenlos.

Und vielleicht hat er ja gelacht, als der Berliner Bewerbungschef Kaweh Niroomand gesagt hat, das Votum der Münchner sei Rückenwind für die Bewerbung der Hauptstadt. Oder er hat gestaunt, denn auf so ein abwegiges Bild muss man erst mal kommen. Auch in Hamburg sieht man im Münchner Votum „ein großartiges Zeichen für Aufbruch“. So hat es der dortige Bewerbungschef Steffen Rülke gesagt. Und auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst möchte das Rennen nach dem Münchner Votum natürlich nicht aufgeben. „Ganz im olympischen Sinne freue ich mich auf den fairen Wettbewerb um die beste Bewerbung“, meinte er im besten Verlautbarungsdeutsch.

Derweil freut sich Markus Söder schon auf den Sommer der Spiele, auf die dann die Paralympics folgen, welche dann direkt ins Oktoberfest münden sollen, wo der Olympiarausch mit ein paar Mass Bier nochmal zwei Wochen lang aufgewärmt werden kann. Und alle vier Bewerber versprechen ihren Bürgerinnen und Bürgern einen unvergesslichen Olympiasommer. Immer wieder bemühen sie die Bilder der Sommerspiele von Paris im vergangenen Jahr. Ja, das wäre schon schön, solchen Bilder mal in Deutschland zu erzeugen. 2036 könnte es vielleicht sogar noch hinhauen mit Sommerspielen im Sommer. Dann ist die Erderhitzung noch nicht ganz so weit fortgeschritten. Wenn man den Marathon mitten in der Nacht abhält, werden es die meisten Sportler schon überleben. Und vielleicht findet sich ja ein Olympiasponsor aus der Pharmaindustrie, der den Zuschauern in der Leichtathletikarena kostenlos Sonnenmilch zur Verfügung stellt.

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Aber 2040? 2044 gar? Wenn sich nicht allzu viel tut in Sachen Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen, werden Sommerspiele in 15 Jahren auch in unseren Breiten wohl nicht vor Oktober beginnen können.

Sommerspiele im Winter

Katar, das sich mit Doha bewerben möchte, geht ohnehin davon aus, dass Sommerspiele bald schon im Winter stattfinden. Keinem der deutschen Bewerbungskonzepte ist jedenfalls anzumerken, dass sich das Leben auf der Erde gerade verändert. Die Radschnellwege von der bayerischen Landeshauptstadt nach Dachau und Markt Schwaben, die mit den Spielen kommen sollen, wie es die Münchner Bewerbungswerber auf ihrem Olympiaportal versprechen, werden dem Ernst der Weltlage jedenfalls nicht gerecht, auch wenn sich gewiss gut darauf radeln lässt. Wundern muss einen das nicht in einem Land, für dessen Regierung die Rettung des Verbrennungsmotors die größte industriepolitische Aufgabe ist.

Wenn im kommenden Jahr im Mai die ersten Tage kommen, in denen Kinder von ihren Trainern nach Hause geschickt werden, weil bei Temperaturen von über 33 Grad Sport zu treiben einfach nicht mehr zu verantworten ist, werden sich vielleicht die ersten Münchnerinnen und Münchner fragen, worüber sie da im November eigentlich abgestimmt haben.

Das ist ja bei allen vier Bewerbungsaspiranten so. Die vagen Pläne, die sie der Öffentlichkeit vorgelegt haben, sind Visionen von gestern für Spiele von morgen.

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