Olympische Geschäfte und nukleare Spiele: Gold für Electricité de France
Wegen eines milliardenschweren Atomdeals mit China will Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy vom Dalai Lama nichts mehr wissen und schickt seine Frau vor.
PARIS taz Schon vor der ersten sportlichen Goldmedaille hat Frankreich einen atomaren Olympiasieg eingeholt. In Peking unterschrieben am Sonntag Europas größter europäischer Energiekonzern Electricité de France (EDF) und der größte chinesische Energiekonzern China Guangdong Nuclear Power Holding Company (CGNPHC) einen Joint-Venture-Vertrag für 50 Jahre. Er sieht den Bau von zwei EPR-Atomreaktoren im südchinesischen Taishan (Provinz Guangdong) sowie die Lieferung von angereichertem Uran vor. Vertragswert: 8 Milliarden Euro. "Ein Zeichen für die Qualität der franko-chinesischen Partnerschaft", jubelt der Élysée-Palast über die Unterschrift.
Zwei Tage vor Vertragsunterzeichnung hatte Nicolas Sarkozy als einer von wenigen europäischen Staatschefs in Peking an der Eröffnung der Olympischen Spielen teilgenommen und Chinas Präsidenten sowie Premierminister zu Gesprächen getroffen. Vergessen war Sarkozys Drohung vom Frühsommer, mit der er seine Peking-Reise von der Entwicklung der Menschenrechtslage in China und von einem Dialog zwischen Peking und dem Dalai Lama abhängig machte.
Vergessen auch Sarkozys öffentlich geäußerte Absicht, in diesem Sommer den Dalai Lama in Frankreich zu treffen. Sarkozys Ankündigungen sowie die französischen Proteste während des olympischen Fackellaufes in Paris hatten zu heftigen Reaktionen des chinesischen Botschafters in Paris geführt. Er kündigte "schwere negative Konsequenzen" im Falle einer Einmischung in "innere chinesische Angelegenheiten" an.
Am vergangenen Donnerstag, wenige Stunden vor Sarkozys Abflug nach Peking, erklärte der Élysée-Palast, der französische Staatspräsident würde den Dalai Lama nicht treffen. Begründung: Dieser habe nicht um ein Treffen gebeten. Das ungewöhnliche Kommuniqué aus dem Élysée teilte zugleich mit, die Gattin des Präsidenten würde an einer religiösen Zeremonie des Dalai Lama am 22. August in Südfrankreich teilnehmen. Seit gestern ist der Tibeter in Frankreich. Tausende BuddhistInnen plus Carla Sarkozy werden zu ihm pilgern.
Die franko-chinesische Atom-Unterschrift vom Sonntag ist der vorläufige Höhepunkt in einem langen Hindernislauf zwischen beiden Ländern. Der Unterschrift voraus ging ein Grundsatzvertrag über die EPR-Zusammenarbeit, den Sarkozy bei einem Besuch im vergangenen November unterschrieb. Der Vertrag zwischen den Energiekonzernen, der noch von den politischen Instanzen in Peking abgesegnet werden muss, sieht vor, dass EDF 30 Prozent in das Joint-Venture investieren wird. Der erste der beiden von Siemens und Framatome gemeinsam hergestellten European Pressurized Reactors (EPR) soll 2013 ans Netz gehen, der zweite kurz danach.
"Die französische Atomindustrie ist vor den Chinesen in die Knie gegangen", stellt Stéphane Lhomme, Sprecher des atomkritischen Netzwerkes Sortir du Nucléaire fest: "Der Vertrag sieht nicht die nötigen 33 Prozent für eine Sperrminorität vor." Zugleich vermutet Lhomme, dass die Chinesen sich vor allem für das angereicherte Uran interessieren, dessen Lieferung Teil des festgelegten Summe von 8 Milliarden Euro ist. Denn nach gegenwärtigem Kenntnisstand - eine immer teurer werdende EPR-Baustelle in Finnland sowie eine zweite, ebenso teure in Frankreich - überschreiten schon die Baukosten für einen einzigen EPR 5 Milliarden Euro. Lhomme: "Die Chinesen bekommen die EPR zum Schleuderpreis."
Didier Anger von der Bürgerinitiative Stopp EPR fühlt sich an die Anfänge des franko-chinesischen EPR-Geschäftes erinnert. Im Mai 2004 war Sarkozy französischer Finanzminister und als solcher in China. Laut Anger sagten ihm die Chinesen damals, Frankreich möge zuerst selbst einen EPR bauen, bevor sie eventuell einen solchen Reaktor kaufen würden. Wenig später bestimmt Paris den normannischen Standort Flamanville für den EPR.
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