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Olympia 2022 – Dabei sein verboten (12)Die Vorzeige-Akademikerin

Die uigurische Ethnologieprofessorin Rahile Dawut ist seit 2017 in Haft. Die Gründe dafür, ihr Aufenthaltsort und Gesundheitszustand sind unbekannt.

International anerkannte Forscherin: Rahile Dawut aus Urumtschi Foto: Lisa Ross

Im Dezember 2017 hat die Ethnologieprofessorin Rahile Dawut in Urumtschi, der Hauptstadt des „Uigurischen Automomen Gebiets Xinjiang“, so der offizielle Name von Chinas größter Provinz, ein Flugzeug nach Peking bestiegen. Ziel der Dienstreise war die Teilnahme an einer Konferenz. Doch dort kam sie nie an. Erst nach vier Jahren bestätigten Chinas Behörden, dass Dawut sich in Haft befinde, wie Human Rights Watch zu Monatsbeginn meldete. Unklar bleiben Umstände und Gründe ihrer Verhaftung, ihr Aufenthaltsort und ihr Gesundheitszustand.

Dawut ist inzwischen 55 Jahre alt, stammt aus einer uigurischen Intellektuellenfalmilie und war vor ihrer Verhaftung 30 Jahre Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas. Sie war eine international anerkannte Expertin für uigurische Kultur, Folklore und Religion und insbesondere uigurische Schreine. Sie lehrte und forschte an der Universität Xinjiang in Urumtschi. Sie war eine der ersten uigurischen Frauen mit einem Doktortitel, für dessen Erlangung 1998 sie mit einem staatlichen Stipendium gefördert wurde. Dawut arbeitete seitdem für staatliche Forschungseinrichtungen und galt als uigurische Vorzeige-Akademikerin. Sie schrieb viele Bücher und kooperierte mehrfach mit ausländischen Unis.

Es lässt sich nur vermuten, dass sie im Rahmen der 2017 von Peking gestarteten massiven Internierungswelle gegen Uiguren wie Hunderttausende andere in ein sogenanntes Umerziehungslager gesperrt wurde. Ein Ziel dieser Politik der Lager ist es, uigurische Kultur, Religion und Brauchtümer sowie das Wissen darüber auszulöschen, vorgeblich, um China vor dem islamistischen Terrorismus zu beschützen.

Dawuts ethnologisches Fachwissen, das auf das reichhaltige kulturelle uigurische Erbe hinweist, stand dieser neuen Linie Pekings gegenüber Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten im Wege. Die Autonomie, welche die Uiguren entsprechend des offiziellen Namens der Provinz Xinjiang angeblich genießen, war stets nur eine Farce. Längst geht es Peking um Assimilierung. Uigurische Kultur ist oft nur noch in Form bunter Kostüme oder architektonischer Ornamente in einer Art chinesischer Disneyworld geduldet.

Deniz Yücel, Präsident des PEN-Zentrums Deutschland und früherer taz-Redakteur, warf dem Internationalen Olympischen Komitee im November 2021 ein „duldsames bis affirmatives Schweigen“ vor zu Vorfällen in China als Austragungsort der Winterspiele 2022. Das „verhöhne“ die Opfer der Repressionspolitik wie die inhaftierte Anthropologin Rahile Dawut oder die vom Tod bedrohte Bloggerin Zhang Zhan“.

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2 Kommentare

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  • Nach den Kriterien der UN begeht die VR China an den Uiguren (kulturellen) Genozid, nichts anderes. Das ist bekanntlich unerheblich, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, aber selbst über die Winterspiele wird -außer in Medien wie der taz - wie in einer kollektiven Amnesie berichtet, als wäre nix, das IOC immer in der ersten Reihe, die "Qualitätsmedien" lustig hinterher. Zum Kotzen. In Qatar wird es nicht anders sein.

    • @hessebub:

      Danke, der von Ihnen aufgeschriebenen Empörung über den Ethnozid und die widerliche Scheinheiligkeit des "Sport"- und Mediengeschäftswelt, kann ich mich voll & ganz anschliessen.