Oliver Pocher auf allen Kanälen: Lustig, lustig, trallala
Oliver Pocher möchte gern den Erfolg von Mario Barth wiederholen, doch heraus kommt bestenfalls Elton. Seine Shows am Wochenende waren schlapp und provozierten nur Fremdschämen.
Was für ein Wochenende! Oliver Pocher auf allen Kanälen - und auf fast allen verkackt. Die erste "Oliver Pocher Show" am Freitagabend hatte vielleicht wirklich die in der Sat.1-Werbung immer so bemüht herausgestellte steilste Showtreppe des höchst übersichtlichen deutschen TV-Late-Night-Schaffens. Aber das war es dann auch schon.
Pochers schlappe Stand-Up über die SPD in der Krise mag man ja noch damit entschuldigen, dass er nicht so genau wissen kann, wer von seinen Zuschauern sich überhaupt halbwegs im politischen Tagesgeschäft auskennt. Doch dann kam Vater Pocher. Und zumindestens beim Rezensenten ein neuer Höhepunkt in der schönen weiten Welt des Fremdschämens.
Erträglich witzig wurde Pocher nur bei seinen kleinen Ausflügen - wenn er auf dem Oktoberfest wildfremde Menschen überfällt, blitzt sie wieder auf, diese unglaubliche, um keinen Schenkelklopfer verlegene Schlagfertigkeit. Pochers Meisterschaft ist das Einreißen jeglicher Distanz, das gewollte Überschreiten aller privaten und intimen Schutzzonen bei den Menschen, auf die er losgelassen wird.
Das passt nicht hinter den Late-Night-Schreibtisch im Studio, dafür bräuchte es schon ein Sofa wie beim seligen WDR-Ranwanzer Wolfgang Korruhn, der natürlich in einer ganz anderen Liga spielte, politisch wie intellektuell. Pocher möchte dagegen den Erfolg von Mario Barth wiederholen und heraus kommt bestenfalls Elton.
Besser funktionierte er am Samstagabend auf RTL. Dort lief sinnigerweise ein Format mit dem hübschen Titel "Oliver Pocher live!", was schon deshalb nicht ganz angehen konnte, weil der Ex-ARD-Mann Pocher gleichzeitig im ZDF bei "Wetten, dass ...?" für sich und seine Sat.1-Show Werbung machte.
Bei so viel Sendervielfalt fragt sich zwar, was Sat.1 eigentlich von seiner neuen Marke Pocher hat, aber im RTL-Ring lief Pocher in der direkten Konfrontation mit seinen Herausforderern einigermaßen zu Formen auf. Hier klappte auch sein Stand-Up zum Thema Einchecken am Flughafen: Angriff mit Flipflops, Flüssigkeiten und Co. Bei RTL zumindest lachte ein dankbares Publikum. Im ZDF aber, wo Pocher bei Thomas Gottschalk die gleiche Routine als kleine Einlage abspulte, fing die Kamera reichlich unamüsierte Gesichter im Publikum ein.
Und es kam für Pocher noch schlimmer: Als "Wetten dass"-Außenreporter hatte er 2005 Homosexuelle en gros und eine Frau en detail beleidigt, der er später Schmerzensgeld zahlen musste. Das ZDF-Goldbärchen rächte sich nun höchst unsubtil für Pochers Entgleisungen bei früheren "Wetten dass"-Auftritten und lies ihn gnadenlos auflaufen. Plötzlich saß da wieder Pocher, der Versicherungskaufmann. Ob Pocher bei seinem alten Arbeitgeber HDI gegen mäßige Quoten versichert ist? Besser wäre es: Mit gerade mal sieben Prozent Marktanteil sei die Quote der "Oliver Pocher Show" doch sehr ausbaufähig. Nur zur Erinnerung: Das ist die auf Sat.1.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt