Oligarch in Griechenland festgesetzt: Wenn Gangsterferien in Athen enden
Der Oligarch Vladimir Plahotniuc floh 2019 aus der Republik Moldau. Seitdem war viel unterwegs. Nun hat seine Tour ein vorläufiges Ende gefunden.

A m Flughafen in Athen steht er, der Oligarch: im Arm die ehemalige Schönheitskönigin Miss Moldova, dabei sein Vertrauter, ein Kickbox-Champion, einst in einem Mordfall angeklagt, dann freigesprochen, später Politiker. Auch dabei: 155.000 Euro Bargeld, 17 Identitäten, mehrere Rolex-Uhren. Ihr Ziel: Dubai. Doch plötzlich Zugriff. Die Polizei nimmt das Trio fest.
Schnitt, Rückblende: Wie es sich für einen Gangster gehört, residierte er in einer Villa. Drei Stockwerke, goldene Fassade, rund 1.400 Quadratmeter in den Hügeln über Athen. Ein Verbrecherrefugium und Bühne für einen großen Kriminalfall.
Klingt wie aus einem überdrehten Serienpiloten? Ist aber exakt so passiert. Der Oligarch Vladimir Plahotniuc, 2019 aus der Republik Moldau geflohen und seit Februar von Interpol gesucht, wurde vergangene Woche in Griechenland festgesetzt. Mit dabei: sein Parteifreund Constantin Țuțu und Miss Moldova 2019, Elizaveta Kuznitova. In 22 Ländern soll sich Plahotniuc seit 2023 laut Polizei aufgehalten haben.
Plahotniuc steht für ein Kapitel postsowjetischer Verflechtung von Macht und Einfluss. Jahrzehntelang zog er in Moldau die Fäden. Offiziell Chef der Demokratischen Partei, inoffiziell Chef von allem: Politik, Justiz, Medien, Sicherheitsapparat. Dem Westen versprach er, die Bastion gegen russischen Einfluss zu sein. Intern aber bediente er sich jener Methoden, die er vorgab zu bekämpfen.
Zuflucht in Russland
Wie es sich in einem guten Krimi gehört, gibt es nicht nur eine Drehung und Wendung in der Geschichte, sondern mehrere. Eine exklusive Recherche des Portals The Insider zeigte vor wenigen Tagen, dass Plahotniuc in den letzten Jahren mehrfach unter falschem Namen nach Moskau gereist sein soll, zuletzt im April 2025 zu geheimen Treffen. Dass auch Russland die Auslieferung von Plahotniuc gefordert, ihn wegen Geldwäsche angeklagt hat, sieht die moldauische Polizei als Vorwand, ihm Schutz und Freiheit zu verschaffen.
Damit wäre er nicht der Erste Moldauer, der im verbrecherischen Russland Zuflucht bekommt. Auch Ilan Șor, Oligarch Nummer zwei des Landes, lebt heute im Exil in Moskau. Beide, Plahotniuc und Șor, gelten als Hauptakteure im sogenannten Milliardenraub von 2014: Damals verschwand über eine Milliarde US-Dollar, rund 12 Prozent des moldawischen Bruttoinlandsprodukts. Das Geld tauchte nie wieder auf. Zurück blieb ein Land, das bis heute unter Misstrauen, Armut und Abwanderung leidet.
Șor hat seither mehrfach versucht, Moldau zu destabilisieren – mit gekauften Stimmen, orchestrierten Protesten, prorussischen Kampagnen. Der Europäische Gerichtshof bestätigte im letzten Jahr, dass Șor gewalttätige Demonstrationen gegen die prowestliche Regierung organisiert hat. Die moldauischen Behörden belegten außerdem russische Einflussnahme und Wahlmanipulation.
Nun, wenige Monate vor den Parlamentswahlen, flammen die Oligarchenaffären also erneut auf. Als Erinnerung daran, dass diese Netzwerke nie verschwunden sind. Dass Machtmissbrauch nicht einfach verdampft, nur weil sich jemand eine Villa in den griechischen Bergen mietet.
Ich fühle mich regelmäßig unterhalten von solchen Krimis, trotzdem ist diese Geschichte natürlich kein regionaler Boulevardstoff, sondern Teil einer europäischen Machtfrage: Siegen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie? Oder gewinnt ein krimineller Oligarch, der glaubt, mit allem davonzukommen?
Moldau hat seine Auslieferung beantragt. Ob sie erfolgt, ist noch offen. Doch schon jetzt ist klar: Diese Festnahme ist ein wichtiges Zeichen für Moldau und diejenigen im Land, die daran zweifelten, dass Gerechtigkeit möglich ist; und dass sich ein demokratisches Moldau, regiert von einer pro-westlichen pro-europäischen Präsidentin, wehren kann.
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