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„Older Wiser Lesbians“Nachtbaden mit Eulen

O.W.L.s sind zum geflügelten Wort in der queeren Community geworden. Das ist nur logisch, denn Eulen sind schöne, kluge und sogar schwimmfähige Wesen.

Die Eule, ein geflügeltes Wort Foto: Ilya Naymushin/reuters

D ie Eule ist jener Vogel der Nacht, der den Kopf ganz weit nach hinten drehen kann, um alles genau zu beobachten. Kein Wunder dass sie queeres, lesbisches Wissen symbolisiert.

Dass die „Older Wiser Lesbians“, kurz O.W.L.s, zum geflügelten Wort in der queeren Community geworden sind, ist nur folgerichtig. Im Vergleich zur Junghaltungsindustrie im heteronormativen Spätkapitalismus verlaufen in sapphischen Konstellationen die Codes des Begehrens entlang der Achse Alter in die umgekehrte Richtung. Je mehr Lebenserfahrung dem Gesicht einer Person abzulesen ist, desto attraktiver macht es sie.

Und damit meine ich nicht nur Hotness, sondern vor allem die Achtung, die wir den Generationen vor uns entgegenbringen. Achtung, für all das, was sie politisch erstritten haben. Für jede Verhaftung, die sie riskiert haben. Für jeden Job, aus dem sie gefeuert wurden. Für jedes Kind, für das ihnen das Sorgerecht entzogen wurde. Für jeden an Aids erkrankten Weggefährten, für dessen Recht auf medizinische Versorgung sie gekämpft haben. Für all die queeren Teenager, denen sie ein neues Zuhause geschaffen haben.

O.W.L.s haben wir eine Neuordnung in Fragen der Repräsentation in Medien und Kunst zu verdanken. Erinnern wir uns nur an die Interventionen, mit denen die Guerrilla Girls bis heute die klaffenden Gender Gaps und rassistischen Ressentiments in Museen aufzeigen. Oder den „Bechdel-Test“, der nach der Challenge der Comiczeichnerin Alison Bechdel benannt ist, Filme zu finden, in denen weibliche Figuren nicht hauptsächlich über männliche Figuren sprechen.

Aufgeplustert und fluffy

Seitdem ich der Spur der namensgebenden Tiere, die sich aus dem Akronym O.W.L.s so schmeichelnd ergibt, gefolgt bin, habe ich immer mehr über Eulen gelernt. Zum Beispiel, dass sie Wasser mögen, um sich zu putzen. Eulen baden nämlich gerne in kleinen Pfützen oder Tümpeln. Wenn sie bei Menschen wohnen, auch schon mal in einem Napf. Einige Eulen nehmen auch gerne Schneebäder, um ihr Gefieder zu reinigen. Ist ja schließlich auch Wasser. An Flussläufen waten Eulen ins Wasser und prusten den Schmutz weg. Nach dem Baden schütteln sie ausgiebig die Flügel. Sie sehen dann für einen Moment ganz aufgeplustert und fluffy aus.

Was mich kürzlich so richtig umgehauen hat, war ein Video von einer Eule, die durch einen Canyon schwimmt. Und zwar nicht mit den Füßen wie eine Ente mit Schwimmhaut an den Zehen, sondern weit ausholend mit ausgebreiteten Flügeln. Sie sei wahrscheinlich in Not, stand unter dem Video, und könne erst wieder losfliegen, wenn sie an Land sei und das Wasser wieder aus ihrem Gefieder schütteln könne. Dabei sah sie gar nicht gehetzt aus, sondern fast schon tiefenentspannt, wie sie in aller Ruhe mit dem nächsten Flügelschlag die nächste Bahn zog.

Ich versuche das auch jeden Tag zu lernen, den reaktionären Quatsch an mir vorbeiziehen zu lassen und mir vorzustellen, er fließe rechts und links wie von einer Flussströmung getragen an mir vorbei. Das ist nicht einfach, denn wie es die Queertheoretikerin Sara Ahmed einmal formuliert hat, sind Emotionen, die von außen immer wieder an uns gerichtet werden, „sticky“, also so richtig klebrig wie ein ätzender Kaugummi.

Da hilft vielleicht noch ein zweites Bild, das „Gewölle“ nämlich, das Eulen aus ihrem Hals würgen und über das sie all das ausspucken, was unverdaulich ist. Dort ragen dann Knochenreste und Plastikmüll heraus.

Wer weiß, welche Fähigkeiten wir freisetzten würden, wenn wir all die negative Anrufungen, die kein Mensch braucht, einfach wieder auskotzen könnten.

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Noemi Molitor
Redakteur:in
Redakteur:in für Kunst in Berlin im taz.Plan. 2022-2024 Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA und promovierte an der Schnittstelle von Queer-Theorie, abstrakter Malerei und Materialität. Als Künstler:in arbeitet Molitor mit Raum, Malerei und Comic. Texte über zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.
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1 Kommentar

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  • Super Text!



    Danke, dass jemand dieses Thema überhaupt angeht.



    Doch erlebe ich die Strömungen in der Gesellschaft als gegenteilig.



    Frauen werden ohne Kinder soweit wie möglich akzeptiert, solange sie nicht altern, und sobald diese Kinder bekommen, immerhin die höchste Leistung in menschlichen Gesellschaften von jeher, werden sie fast ausschließlich auf ein sehr negatives und reduziertes Mutterbild reduziert. Ab dann werden fast ausschließlich nur noch etwaige Einschränkungen, die teilweise von der Gesellschaft selber produziert wurden, in den Status Muttersein hineininterpretiert, oder der Fokus gelegt.



    Zudem wird ab dann eine wirklich große Dummheit, Naivität und Subjektivität in diesen Status hineinprojiziert, komplett unabhängig wie gebildet und intelligent die jew. Frau ist. Es werden ihr sogar durch den Mutterstatus vorhandene Qualifikationen unterschwellig aberkannt. Dies kann man z.B. an "Mutterwitzen" ablesen, "Väterwitze" gibt es nicht, diese wären dann sicherlich durchweg positiv.



    Insofern wird in Deutschland die Leistung von Frauen und Müttern fast vollständig ignoriert und durchgehend negativ konnotiert.



    In der Archäologie stellt man sogar höhere Achtung von Frauen fest.