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Archiv-Artikel

Ohne Prostitution in den Westen

betr.: „Echte Beutekunst“, taz vom 16. 10. 04

Detlef Kuhlbrodt schreibt über die anscheinend autobiografisch schreibende Autorin: „Die […] Heldin, eine sehr gute Schülerin und hervorragende Tischtennisspielerin, kennt den Preis, den es kostet, aus der Ukraine in den Westen zu kommen. Und sie ist bereit, ihn auch zu entrichten. Das hat für uns hier etwas Anstößiges. Zumal Lilli Brand sich ja nicht nur die Freiheit genommen hat, als Prostituierte zu arbeiten, sondern darüber auch noch sehr humorvoll schreibt.“

Für mich hat es eher etwas Anstößiges, wenn eine Rezensent so offensichtlich gefesselt ist vom Stereotyp der sich prostituierenden Osteuropäerin. Natürlich liegt der Preis, in den Westen zu kommen, nicht für alle ukrainischen Frauen in der Prostitution, da hat sich Kuhlbrodt, so scheint’s, von seiner Bewunderung für diese „Heldin“ hinreißen lassen. Gerade für gute Schülerinnen gibt es eine Alternative zum ganz kleinen Preis: Als Au-pairs können die jungen Frauen gegen die Zahlung geringer Gebühren für Vermittlung, Visum und den Preis der Fahrkarte erst einmal ein Jahr lang den Westen kennen lernen, auch ohne Prostitution. Allein auf diesem Weg kommen tausende junger Ukrainerinnen in den Westen – und werden hier konfrontiert mit Bemerkungen, wie der von Kuhlbrodt, und Menschen, die folgerichtig in jeder Ukrainerin eine Prostituierte sehen.

Schön für Lilli Brand, dass sie nach der Zeit als Prostituierte jetzt schöne und komische Geschichten schreibt, aber viele Au-pairs, die ein Jahr lang in deutschen Familien gelebt haben, können auch darüber komische Geschichten erzählen, ganz ohne Prostitution. Vielleicht sollte man mal ihre Geschichten aufschreiben.

MONIKA ROSENBAUM, IN VIA-Projekt

„Au-pair-Beratung Ukraine/Belarus“, Münster