: Offene Ehe
Das „Plattenbefreiungskonzert“ von „Klezgoyim“ anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Folkinitiative
Getanzt hat das Publikum nicht „mit der Sasse“ auf dem „Plattenbefreiungs“- und Auftaktkonzert des „Folk Herbstes“ mit der Gruppe Klezgoyim. Aber geswingt, denn Gründe gab es genug im Bürgerhaus Weserterrassen. Die Folkinitiative feierte ihren 20. Geburtstag und Klezgoyim sein zehnjähriges Bestehen sowie das Erscheinen der vierten CD („Mit der Sasse tantzn“).
Susanne Sasse selbst, die Perkussionistin der Gruppe, hätte umso lieber das Tanzbein geschwungen. Mit pulsierender Lebendigkeit tauchte sie in den wechselnden rhythmischen Klangteppich ein und rollte ihn direkt in die Blutbahnen der Zuhörer. Ansteckungsgefahr!
Auch die männlichen „Goys“ beeindruckten durch ihre Virtuosität – und trotzdem blieb der Kontakt zum Publikum zunächst ein eher verhaltener Annäherungsversuch. Die Spielleidenschaft verharrte zögernd an der Pforte zwischen musikalischer Professionalität und leidenschaftlicher Ausgelassenheit.
Dann aber ging‘s los: Titel wie „He(y)melinger Hora und Bulga“ oder „Kühnes Freilach“ boten genug Zündstoff, Altes und Neues begegneten sich im Spannungsbogen zwischen traditionellem Klezmer, orientalischen Arabesken (die rhythmisch und melodisch ganz eigene Wege gehen) und den Freiheiten, die der Jazz zu bieten hat.
So entstand im Lauf des Konzerts ein dynamisches und zugleich sensibles Gespräch: Alle hören einander zu, sprechen verschiedene Sprachen und sagen doch das gleiche. Der Austausch zwischen den Instrumenten, die abwechslungsreiche Kommunikation der Stilrichtungen entließen die traditionelle Klezmer-Hochzeitsmusik in eine Art „offene Ehe“ – und die angeregten Gäste beglückt in die Nacht.
Sabine Steinmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen