Offene Drogenszene in Berlin: Securitys sollen es richten

Die Beschwerden über Vermüllung, Drogenkonsum und -handel am Kottbusser Tor dauern an. Fixpunkt, Betreiber des Drogenkonsumraums, probt nun neue Wege.

Das Kottbusser Tor, seit 30 Jahren Treffpunkt der Drogenszene, kommt nicht zur Ruhe Foto: dpa

BERLIN taz | An einem Vormittag am Kottbusser Tor in Kreuzberg: Vor dem U-Bahn-Eingang in der Reichenberger Straße, direkt neben dem Drogenkonsumraum, stehen Menschen in Kleingruppen zusammen. Seit einer Stunde hat das Fixpunkt-Projekt, in dem Abhängige Drogen rauchen und injizieren können, geöffnet. Nicht weit von der Eingangstür entfernt hocken drei Männer vor einer Mauer und rauchen in der Öffentlichkeit Crack. Bei der Mauer handelt es sich um die Rückseite einer Kita, hinter den geöffneten Fenstern hantieren Köche mit Töpfen und Pfannen.

Seit März 2022 gibt es am Kotti den sogenannten Druckraum am Treffpunkt der Junkie-Szene. Der ursprüngliche Plan war, dass die Einrichtung 10 bis 12 Stunden pro Tag geöffnet sein soll. 7 Stunden sind es nun. Begründet wird das von den Betreibern mit Personalmangel und teilweiser Unbenutzbarkeit der Räume durch defekte Rohre und Wasserschäden. Das Gebäude gehört einem stadtbekannten Immobilieninvestor.

Seit Februar dieses Jahres gibt es am Kotti mit der Polizeiwache auf der Galerie des Neuen Kreuzberger Zentrums eine weitere Neuerung – in der Nachbarschaft des Szenetreffpunkts und Druckraums also. Heftig umstritten war die Polizeiwache im Kiez. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte die Notwendigkeit damit begründet, das Kottbusser Tor sei stark belastet mit Kriminalität: 3.100 Drogendelikte seit 2018, 1.400 Körperverletzungen, dazu Nötigungen, Bedrohungen, sexuelle Übergriffe, Überfälle, Raubtaten.

Wenn der Kotti etwas brauche, dann sei es nicht mehr Polizeipräsenz, sondern eine Stärkung der Straßensozialarbeit, Toiletten am Platz, eine bessere Beleuchtung und ein besseres Verkehrskonzept, hatten die Gegner argumentiert. Die Öffnungszeiten des Druckladens seien zu kurz, Eltern mit Kindern, die den Sammelpunkt der Szene täglich passieren müssten, bräuchten starke Nerven. Senat und Bezirk beriefen diverse runde Tische ein. Das Ziel, so hieß es, sei die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie, die von allen Beteiligten mitgetragen werde.

Die Probleme betreffen alle

Und jetzt, fünf Monate später, wie sieht es heute am Kotti aus? Eine Veränderung der Beschwerdelage seit Eröffnung der Wache lasse sich im Bezirksamt „nicht erkennen“, teilte die Pressestelle von Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) auf Anfrage der taz mit. Eine aktuelle Erhebung gebe es aber nicht. Die Beschwerden bezögen sich in erster Linie auf Vermüllung des öffentlichen Raums, die Lärm- und Verkehrssituation sowie Drogenkonsum und -handel.

Die Bezirksverwaltung sei „sehr aktiv“ um Lösungen bemüht, stoße aber angesichts der sich möglicherweise weiter verschärfenden Haushaltslage an „gewisse Grenzen“. Drogenkonsum und Obdachlosigkeit gingen ganz Berlin an. Rein repressive Maßnahmen und eine Verdrängung der Problematik von einem Stadtgebiet ins andere seien keine Lösung, teilte Herrmann mit.

Das klingt fast so, als sei in der Zwischenzeit nichts passiert. Stimmt nicht, sagt Raphael Schubert, Geschäftsführer der Fixpunkt gGmbH. Eineinhalb Vollzeitstellen für Straßensozialarbeit seien ausgeschrieben worden. Ab dem 1. August werde der Druckraum 3,5 Stunden länger pro Woche offen sein.

Und: Ein oder zwei Securitys würden fortan das Einlassmanagement übernehmen, finanziert von der Senatsverwaltung für Gesundheit. Im Team sei diese Neuerung zunächst umstritten gewesen. Aber auch andere Betreiber von Konsumräumen in Berlin, Hamburg und in der Schweiz arbeiteten mit Sicherheitsunternehmen.

Über 100 Konsumenten besuchen den Druckraum am Kotti laut Fixpunkt pro Tag, rund 1.500 im Monat, tatsächlich seien es viel mehr, weil viele Leute nur kämen, um Spritzen und Desinfektionsmaterial abzuholen. In der Etage, die das Bezirksamt in dem Gebäude für Fixpunkt gemietet hat, sind zwei Räume für den reinen Konsum gedacht. Vier Plätze zum Inhalieren harter Drogen und vier Injektionsplätze.

Suchtarbeit ist anspruchsvoll

Die taz konnte sich am Montag vor Beginn des Publikumsverkehrs ein Bild machen. Alles ist sauber und funktional. Die Tische im Injektionsraum sind aus Edelstahl, über jedem hängt ein Spiegel, der den Betreuern im Hintergrund ermöglicht, die Gesichter der Konsumenten zu sehen. Suchtarbeit sei anspruchsvoll, erklärt Judith Herbst, Pflegeleiterin der Einrichtung. „Es ist nicht so, dass wir nur Spritzen ausgeben und den Leuten beim Konsum zugucken.“

Es gibt einen Verbandsraum, Beratungszimmer, am Empfangstresen wird eine Warteliste geführt, wenn die Konsumräume belegt sind. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Konsument sei 15 bis 30 Minuten, sagt Schubert. Wenn der Andrang nicht so groß sei, erlaube man den Leuten auch länger zu bleiben.

Das Aufgabenprofil der Securitys beschreibt Schubert so: Die Situation im Türbereich entspannen. Beruhigend auf die Szene vor dem Laden einwirken. Durchlass für Passanten schaffen, die aus der U-Bahn kommen. Kurzum: „Das subjektive Sicherheitsgefühl soll so erhöht werden.“

Wie die Szene darauf reagieren wird? „Das hängt von dem Security ab, der da steht“, sagt Herbst. „Sie sollen deeskalieren und nicht eskalieren“, betont Schubert. „Es geht nicht darum, die Szene zu vertreiben.“

Die Suche nach einem geeigneten Sicherheitsunternehmen dauert noch an. Angedacht sei eine Beschäftigung von August bis Jahresende. Wenn es helfe, auch länger. „Man sollte das nicht aus ideologischen Gründen ablehnen“, findet Schubert. In einem Punkt macht er sich aber keine Illusionen. Dass es auch dann noch Leute geben wird, die auf der Straße oder in Hausfluren Drogen konsumieren: „Die Szene ist hier seit 30 Jahren. Wir allein werden den Kotti nicht retten können.“

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