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Offenbar 110 tote ZivilistenSyrische Opposition beklagt Massaker

Regierungstruppen sollen nach Oppositionsangaben in der Provinz Homs am Freitag bis zu 110 Zivilisten getötet haben. Die Hälfte davon seien Kinder. UN-Beobachter sind unterwegs zum Tatort.

Der Tag danach: Auf diesem Foto sollen laut syrischer Opposition von die Leichen getöteten Zivilisten zu sehen sein. Bild: reuters

DAMASKUS/KAIRO dpa | Bei einem Massaker der Regierungstruppen in der syrischen Stadt Al-Hula sind am Freitag nach Oppositionsangaben 110 Zivilisten getötet worden. Die Hälfte der Opfer seien Kinder gewesen, erklärte der oppositionelle Syrische Nationalrat am Samstag. Eine Abordnung der UN-Beobachtermission, die eine an sich geltende Waffenruhe überwachen soll, traf nach Angaben des Nationalrats inzwischen am Schauplatz des Geschehens in der Provinz Homs ein.

Über den Hergang des mutmaßlichen Massakers sickerten in Exilkreisen am Samstag nur bruchstückhafte Informationen durch. So seien die Menschen entweder beim Artilleriebeschuss der Stadt gestorben oder anschließend von regimetreuen Freischärlern getötet worden, die im Feuerschutz der Truppen von Haus zu Haus gegangen seien.

Wie die in London ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag mitteilte, setzte eine Massenflucht von Überlebenden aus Al-Hula ins Landesinnere ein. Die Nachrichten konnten wegen der Medienblockade des Regimes nicht überprüft werden. Sollten sie sich bestätigen, so wäre dies das schlimmste Blutbad an Zivilisten an einem Ort seit Monaten in Syrien.

Homs ist Hochburg der Opposition

Al-Hula war in den vergangenen Monaten Schauplatz häufiger Kundgebungen gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad. Dies gilt aber auch für andere Regionen der Provinz Homs sowie die gleichnamige Provinzhauptstadt. Aktivisten verbreiteten in der Nacht zum Samstag das Video einer Solidaritätskundgebung in der Stadt Homs für die Opfer von Al-Hula. Darauf ist zu sehen, wie die Teilnehmer schwören, das vergossene Blut nicht ungesühnt zu lassen.

Der Syrische Nationalrat forderte die Einberufung des UN-Sicherheitsrates, um die Verantwortlichen für das mutmaßliche Massaker festzustellen. In Syrien unterdrückt das Assad-Regime seit fast 15 Monaten mit brutaler Gewalt eine anfangs friedliche Protestbewegung, die inzwischen stellenweise in einen bewaffneten Aufstand umgeschlagen ist.

Die etwas mehr als 250 UN-Beobachter sind seit Mitte des Vormonats im Land und unbewaffnet. Sie können nur wenig ausrichten und sind durch die „Sicherheitsvorbehalte“ des Regimes in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Sie überwachen eine kurz vor ihrem Eintreffen vermittelte Waffenruhe, die aber nur auf dem Papier steht.

Waffenruhe und UN-Einsatz sind Teil des Friedensplans des UN-Vermittlers Kofi Annan. Der ehemalige UN-Generalsekretär (1997-2006) wird am kommenden Montag zu Gesprächen in Damaskus erwartet. Experten halten seinen Syrien-Plan inzwischen für gescheitert.

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3 Kommentare

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  • H
    herakles

    Es wird Zeit die Augen vor Waffenschmuggel

    an die Widerstandskämpfer zu schließen

    und Assad militärisch für vogelfrei zu erklären,

    wenn dieser Anschlag von ihm zu verantwortenden

    Truppen begannen wurde und er nicht binnen 2 Tagen

    zurücktritt.

    Er ist kein Verteidiger seiner Herrschaftskultur

    mehr, sondern ein geistesgestörter Verbrecher,

    der gestoppt werden muss.

     

    Wenn Israel Assad besiegen könnte und die

    zivilen Verluste minimal wären, könnte dies

    der Beginn einer panarabischen Freundschaft sein,

    die Israels und Irans Atomwaffenprogramme

    hinfällig machen würden.

    Denn auch Ahmadinedschad kann den Massenmord

    an Muslimen nicht für gut heißen, wenn er

    auf einen Rest unverheuchelter Rückendeckung

    der arabischen Liga und seines Volkes hoffen will.

     

    Wenn ein Volk trotz Massenmord und medialer

    Isolation weiterhin gegen seinen Aggressor

    kämpft, hat es sich die Freiheit mehr wie verdient.

     

    Ein Bürgerkrieg scheint mir nun unausweichlich

    und dieser ist besser, als das allmähliche

    Abschlachten einer wehrlosen Opposition zu erdulden.

    Konventionelle Waffen sollten ans Volk überliefert

    werden. Doch zuerst muß ein Gegenpräsident und

    eine Gegenregierung ernannt werden und die Zustimmung

    des Weltsicherheitsrates bekommen.

    Alle Vetomächte müssen sich hierbei zu den

    Massakern und ihrer Legitimation äußern!

     

    Ungeachtet was der Weltsicherheitsrat entscheidet-

    kein friedlicher Weltbürger muß wehrlos staatsbediensteten Massenmördern an Zivilisten

    gegenüberstehen. Er hat das Recht und die Pflicht

    die Massenmörder und ihre Drahtzieher zu töten

    und sein Volk vor dem Genozid zu bewahren.

     

    Assad hat die rote Linie übertreten.

    Er kann mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit

    nicht mehr weltpolitisch in Spitzengremien

    auf Augenhöhe mit den Supermächten verhandeln,

    weil er ein Kriegsverbrecher,

    Friedenvertragsbrecher ist.

  • K
    Kosmos

    Ich habe gestern im ARD ein Video gesehen.

    ACHTUNG:

    Einen Pickup voll beladen mit Kindern der zu UNO Soldaten gefahren ist und diese dann im fotografiert und dokumentiert haben (im automodus) was die syrischen Soldaten gemacht haben.

    ----------------------------------------------

    Neutral betrachtet:

    Wo sind die Familien dieser Kinder ?

    Wer kommt auf die Idee kleine Kinder zu sammeln und in ein Pickup zu packen ?

    --

    Diese Kinder sind höchstwahrscheinlich an Stichwunden gestorben, sehr wenig Blut.

    Dies ist auch die vorgehensweise der Terroristen.

    --

    Warum ist da kein einziger Erwachsener dabei ?

    Gut ist dass Terroristen nicht Intelligent sind.

    Denn die neue Kampagne hieß Assad´s Regime mit kleinen Kindern beschmutzen

  • TH
    Thomas H

    "In Syrien unterdrückt das Assad-Regime seit fast 15 Monaten mit brutaler Gewalt eine anfangs friedliche Protestbewegung, die inzwischen stellenweise in einen bewaffneten Aufstand umgeschlagen ist."

     

    Sorry, liebe Leute von der taz, aber dieser Satz aus Eurem Artikel zum jüngsten Massaker in Houla beschreibt die innersyrische Lage von vor etwa 10 Monaten, nicht jedoch den mittlerweile längst eskalierten und bereits über die Grenze (insbesondere in den Libanon hinein) schwappenden veritablen Bürgerkrieg innerhalb Syriens, in dem die oppositionelle FSA-Guerilla bereits seit Beginn des Jahres immer mehr Ortschaften, Städte und Provinzen militärisch ganz oder teilweise kontrolliert.

     

    Diese Erfolge der innersyrischen Oppositionskräfte im Kampf gegen das extrem repressive Assad-Minderheitsregime dürften nun auch der Grund dafür sein, dass die russischen und iranischen Berater und Instrukteure Al Assads nun zu einer noch sehr viel härteren Gangart gegenüber der mehrheitlich oppositionell gestimmten syrischen Bevölkerung drängen, ganz nach dem Muster der einstigen russischen "Befriedung" Tschetscheniens, mittels genozidal entgrenztem Vernichtungskrieg gegen die antidiktatorisch aufbegehrenden eigenen Staatsbürger.

     

    Die lachenden Dritten sind dabei auch in Syrien die sunnitisch-islamistischen Dschihadisten, die aus zynischem Machtkalkül heraus als einzige Kraft effektiv die grausam unterdrückte und ständig von Massakern bedrohte syrische Bevölkerung unterstützen, um so selbst für die Zukunft nach Assad den Fuß in die syrische Tür zu bekommen.

     

    Die völlig verfehlt konzeptionierte und ausgestaltete "UN-Friedensmission in Syrien" liefert nun dem Assad-Regime faktisch die Deckung dafür, genozidale Massaker a la Homs, Hama und Houla begehen zu können, -unter den sehenden Augen der tatenlos bleibenden UN-Blauhelme, die so wider Willen zu faktischen Kollaborateuren der Massenmörder mutieren!

     

    Ruanda, Srebenica und Darfur lassen schön grüßen ...