Off-Kino: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
In ihrem Musik-Porträt „End of the Century: The Story of The Ramones“ rollen die Regisseure Michael Gramaglia und Jim Fields sehr geradlinig und mit offenkundiger Liebe zum Gegenstand, jedoch ohne falsche Ehrfurcht die Geschichte der New Yorker Punkrock-Pioniere auf: von der Jugend als Stooges-Fans und Außenseiter in Forest Hills über die ersten Konzerte im Club CBGB’s bis zum Rock-Gott-Status, den die Ramones am Ende ihrer Karriere in Südamerika besaßen. Nur in ihrem Heimatland blieb ihnen die Anerkennung stets verwehrt. Vor allem aber kommt der Film den Ramones, die bei Live-Konzerten kaum verbal kommunizierten, sondern eine nahezu erdrückende Wand genialen Pop-Lärms produzierten, menschlich durchaus nahe. Und dabei stellt sich heraus, dass die Herren recht schwierige Charaktere waren: Bassist Dee Dee ein Junkie, der zweite Drummer Marky ein Alkoholiker, der Sänger Joey ein unter Zwangshandlungen leidender Neurotiker, Gitarrist Johnny ein manischer Kontroll-Freak. Nicht erst am Ende hassten sie sich alle gegenseitig, noch jahrelang tourten sie durch die Welt, ohne miteinander zu reden. Und mittlerweile sind sie fast alle tot.
Etwas besinnlichere Musik bietet das Zeughauskino, das mit einer Tango-Filmreihe aus seiner Sommerpause zurückkehrt. Mit dabei: „Tango Bar“, ein im Jahr 1935 unter der Regie von John Reinhardt entstandener melodramatischer Krimi um einen argentinischen Lebemann, der den Großteil seines Geldes beim Wetten verloren hat. Mit den letzten Kröten reist er nach Europa und eröffnet die besagte Tango-Bar, wo er einem begeisterten Publikum seine geliebte lateinamerikanische Musik nahe bringt. Gespielt wird der Musikus von Carlos Gardel, der als unumstrittener König des Tangos galt und der angesichts eines eher unwichtigen Plots einfach das tut, was er am besten kann: Er singt von seiner Sehnsucht nach Liebe und Heimat und der Trauer um die verlorene Jugendzeit.
Einen sympathischen Kinderfilm schuf die schwedische Regisseurin Ella Lemhagen im Jahr 1999: „Tsatsiki – Tintenfische und erste Küsse“ erzählt die Geschichte des achtjährigen Tobias, den alle Welt aufgrund seines griechischen Vaters nur „Tsatsiki“ nennt. Den Papa, eine Urlaubsbekanntschaft seiner Mutter, hat Tsatsiki allerdings noch nie gesehen, würde ihn aber nur zu gern einmal kennen lernen. Seine Mutter, die Gitarristin einer aufstrebenden Rockband, mag sich mit diesem Gedanken nicht so recht anfreunden. Und dann gibt es da noch den netten, etwas biederen Polizisten Göran, der sich in die flippige Mama verliebt. Doch eigentlich geht es vor allem um den Alltag des gewitzten Protagonisten: um seine Liebe zu dem blonden Mädchen, bei dem er vielleicht Chancen hat, oder auch um den Ärger mit dem Schul-Rowdy, dessen Vater Alkoholiker ist. Ein Leben, in dem nicht immer alles so klappt, wie man plant, und wo man auch mal zu früh triumphiert und dann doch noch ordentlich eins in die Fresse gesemmelt bekommt. Aber auf jede Katastrophe folgt auch bestimmt eine Party – ganz wie im richtigen Leben. LARS PENNING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen