Österreichs Rechtspopulisten: Antisemitischer Wahlkampf
Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ im Bundesland Vorarlberg beleidigt den Direktor des Jüdischen Museums. Deshalb lehnt die konservative ÖVP ein erneutes Regierungsbündnis ab.
WIEN taz | "Ein Exiljude aus Amerika" habe sich nicht in die heimische Politik einzumischen. Mit diesem deftigen Spruch eröffnete Vorarlbergs FPÖ-Chef Dieter Egger vergangenen Freitag den Wahlkampf für die Landtagswahlen vom 20. September. Gemeint war Hanno Loewy, der Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems, der Plakate der Freiheitlichen kritisiert hatte. Darauf wurde gefordert, Sozialleistungen nur an "heimische Familien" auszuzahlen.
Normalerweise ereignen sich Wahlen in Vorarlberg, ohne dass außerhalb des westlichsten Bundeslandes Österreichs jemand davon Notiz nimmt. Die bürgerliche ÖVP regiert seit Jahrzehnten mit absoluter Mehrheit und holt sich trotzdem immer die FPÖ als Juniorpartner ins Boot. Das wird sich jetzt ändern.
Landeshauptmann Herbert Sausgruber will nach den kalkulierten rhetorischen Ausfällen des FPÖ-Landesrats in Zukunft kein Bündnis mehr mit dieser Partei. Denn Egger weigerte sich, seine Sprüche zurückzunehmen.
Die Bundespartei freut sich über den Aufruhr, der ihr erlaubt, sich einmal mehr als einzige heimatverbundene Partei zu präsentieren. Egger habe nur eine Einmischung von außen zurückgewiesen, erklärte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Dabei sei es "völlig egal, wo dieser Museumsdirektor herkommt".
Loewe, ein in Frankfurt geborener Jude, der seit fünf Jahren das Jüdische Museum der Stadt Hohenems leitet, zeigte sich zunächst schockiert. Denn er hatte mit Egger durchaus freundschaftlichen Umgang gepflegt: "Dass es mit ihm so durchgegangen ist, zeigt doch, dass der Affekt ziemlich tief sitzen muss." Eggers rhetorischer Ausfall bedeute "die Klarstellung dessen, was er und jene, die ihm zugejubelt haben, unter heimisch verstehen".
Beim dem Schriftsteller Michael Köhlmeier hat die kalkulierte Entgleisung des FPÖ-Frontmanns "richtiggehende Übelkeit ausgelöst". Er fürchtet auch um den Ruf seiner Heimatgemeinde Hohenems, denn dank Egger "sind wir wieder die Deppen in ganz Österreich".
Zumindest muss die antisemitische Klientel nach Einschätzung der FPÖ auf eine lohnende Größe angewachsen sein. Vorarlberg und speziell Hohenems hatte bis zum Holocaust eine relativ große jüdische Gemeinde. 1991 wurde zur Erinnerung daran das Jüdische Museum eingerichtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen