■ Ölmulti Shell will Menschenrechte zum Firmenziel machen: Ethische Grundsätze für den Profit
Shell will die Menschenrechte zum Firmenziel erklären. Verdutzt fragt man sich, ob dies der neueste PR-Coup des bösen Ölmultis ist, oder ob sich doch etwas an seinen Geschäftsgepflogenheiten verändert haben könnte. Beides ist richtig.
Shell, der Ölkonzern schlechthin, hat in den vergangenen zwei Jahren erfahren müssen, daß zivilgesellschaftliche Wünsche an seine Geschäftspolitik nicht ignoriert werden können. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hat die Verteilungsfrage für den Konzern an Brisanz verloren. Der bewaffnete Racheengel, der Geld für die armen Massen fordert – es gibt ihn kaum noch. Doch während die Arbeitenden an Macht verloren haben, gewannen die Konsumenten an Einfluß.
Und diese Kunden wollen sich beim Konsum wohlfühlen und nicht an gehenkte Oppositionelle, Folteropfer und hungernde Kinder denken müssen, wenn sie den Tank füllen. Die Firmen mögen tun, was sie wollen, aber die Grundrechte müßten dabei beachtet werden. Shell muß also ein dringendes Interesse daran haben, das Image als Multi, der über Leichen geht, loszuwerden. Denn sein PR-Interesse ist auch ein ökonomisches.
Die Aufnahme der Menschenrechte in den Katalog der Firmenziele wäre ein erster Schritt. Der Einsatz für Menschenrechte in Nigeria, den inzwischen sogar amnesty international attestiert, ein zweiter. Die Frage bleibt, wann die Imagekosten höher ausfallen als der Wert des Tafelsilbers (Ölreserven), das der Konzern zurücklassen müßte.
Aber selbst wenn diese Frage vorerst unbeantwortet bliebe: Die Schritte von Shell werden Konsequenzen haben. Intern, weil die Beschäftigten die Entscheidungen der Chefs gerne an dem neuen Maßstab messen werden. Und extern, weil auch andere Konzerne sich fragen lassen müssen, mit welchem Diktator sie auf welcher Basis noch zusammenarbeiten wollen. Schon heute haben sich Jeanshersteller wie Levi's aus der Volksrepublik China zurückgezogen und mag Heineken in Birma kein Bier mehr brauen. Und in dieser Woche drohte in Schweden die bürgerliche Opposition der Regierung sogar mit einem Mißtrauensvotum, weil der Premierminister das chinesische Regime als erfreulich stabil bezeichnet hat.
Die Zeiten, in denen ein Multi sagen kann, daß Geschäfte bis zuletzt gemacht werden müssen, sind vorbei. Hermann-Josef Tenhagen
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