Ökonomie-Experten machen Verluste: Nur bedingt wettbewerbsfähig
Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut schlingert: Es kann sich am Markt nicht behaupten. Die Handelskammer will es nun alleine weiterführen.
Die Handelskammer könnte nach den Vorstellungen ihrer Geschäftsführung das Institut für eine Übergangszeit alleine weiterführen – solange, bis ein neuer Partner gefunden ist. Im Kammer-Plenum, das darüber entscheiden muss, regt sich dagegen jedoch Widerstand.
„Die Frage lautet nicht: Braucht Hamburg ein renommiertes Wirtschaftsinstitut“, sagt Tobias Bergmann von der Kammer-Opposition. „Die Frage lautet: Soll das HWWI durch Zwangsbeiträge der Hamburger Unternehmerinnen und Unternehmer gerettet werden?“ Das sei schwerlich mit den ordnungspolitischen Positionen des Instituts vereinbar.
Das HWWI leiste sich auf Kosten der Hamburger eine Außenstelle in Bremen. Gerade erst habe die Kammer Gebühren im Bereich der Ausbildung erhöht. „Ist das die Zeit, solche Abenteuer einzugehen?“, fragt Bergmann.
Das HWWI ist 2005 aus dem Hamburgischen Weltwirtschaftsarchiv (HWWA) hervorgegangen, nachdem die Leibniz-Gemeinschaft dem Bund und den Ländern davon abgeraten hatte, das HWWA weiter zu fördern. Es sei für die Wirtschaftswissenschaft und -praxis nicht nützlich genug und es sei nicht abzusehen, dass sich das ändern werde.
Bibliothek abgespalten
Um das Institut für Hamburg zu erhalten, wurde dessen Bibliothek abgespalten und der Forschungsbereich in eine gemeinnützige GmbH überführt, die jeweils zur Hälfte der Handelskammer Hamburg und der Universität gehört. Zusammen mit weiteren Partnern gewährleisten beide die Grundfinanzierung des HWWI. Das restliche Geld müssen die Forscher mit Auftragsprojekten einspielen.
In den Jahren 2014 und 2015 ist das nicht gelungen. Das HWWI erwirtschaftete Verluste, die aus den Rücklagen ausgeglichen werden mussten. Die Probleme entstanden im Zusammenhang mit dem Abgang des vormaligen Direktors Thomas Straubhaar, wie Ulrich Brehmer, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, bestätigt.
Danach habe es einen gewissen Leerlauf gegeben. Die neue und inzwischen wieder abgeschaffte Doppelspitze habe nicht funktioniert. Anders als dem in der öffentlichen Debatte sehr präsenten Straubhaar gelang es ihr offenbar nicht, genügend Aufträge an Land zu ziehen.
Seitdem der verbliebene Geschäftsführer Henning Völpel die alleinige Verantwortung habe, sei wieder eine klare Ausrichtung erkennbar, findet Brehmer. Das Institut besinne sich auf seine Kernkompetenz. „Wir halten das HWWI für einen wichtigen Standortfaktor, weil es keine andere Forschungseinrichtung gibt, die sich bezogen auf Hamburg mit angewandter Wirtschaftsforschung befasst“, sagt er.
Keine Strategie
Der Kammerrebell Bergmann sieht das anders. „Was im Augenblick völlig fehlt, ist eine wissenschaftliche Strategie für das HWWI“, kritisiert er. Es sei bezeichnend, dass die Universität aussteigen wolle und die Bundeswehr-Universität als möglicher neuer Partner bloß einen Professor an das HWWI entsenden würde.
Die Universität Hamburg sah sich zu keiner Stellungnahme in der Lage. Die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr dagegen findet, das HWWI könnte sein Profil schärfen. „Wir haben Interesse daran, uns als wissenschaftlicher Partner einzubringen“, sagt Sprecher Dietmar Strey.
Die Bundeswehr-Uni habe viel Expertise in der Volkswirtschaftslehre und forschungsstarke Ökonomen. „Diese Expertise wird von Hamburg nicht abgerufen“, sagt Strey. Die Universität könnte sich bei einer positiven Entscheidung des Kammer-Plenums vorstellen, einen Professor für das HWWI abzustellen. Über einen Einstieg als Gesellschafter müssten allerdings das Verteidigungs- und das Finanzministerium entscheiden.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung