Ökonom zu alternativer Klimakonferenz: "Wir müssen 'glokal' denken"

Die alternative Klimakonferenz war eine Reaktion auf das Scheitern der Verhandlungen in Kopenhagen, sagt der ecuadorianische Ökonom Alberto Acosta.

Tradionelles Produkt der Indigenas: Teilnehmer des Gipfels mit Koka-Blättern. Bild: ap

taz: Herr Acosta, was halten Sie von der Initiative der bolivianischen Regierung, in diesem Moment den alternativen Klimagipfel einzuberufen?

Alberto Acosta: Es ist ein wertvoller Anstoß, der noch vertieft werden muss. Zunächst einmal ist er eine Reaktion auf das totale Scheitern der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Dort wurde die multilaterale Logik der UNO in Stücke gerissen. Unter der Führung von Barack Obama versuchte dort eine Gruppe von Ländern, ein völlig belangloses "Abkommen" ohne jegliche Verpflichtungen durchzusetzen.

Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Rechte der Natur in Ecuadors Verfassung verankert wurden - eine weltweite Premiere. Wie sieht die Umsetzung in die Praxis aus?

61, ist ein ecuadorianischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker. 2007 war er Energie- und Bergbauminister im Kabinett Rafael Correas und prägte außerdem als Präsident der Verfassunggebenden Versammlung die neue Verfassung, die traditionell-indigene Prinzipien mit demokratischen Grundrechten kombiniert.

Leider gibt es vonseiten der Regierung eine regelrechte Konterrevolution, beispielsweise durch ein Bergbaugesetz, mit dem ausländische Investoren hofiert werden. Auch die Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen gehen weiter - das ist das Gegenteil von dem, was Präsident Rafael Correa einmal versprochen hat!

Wie haben Sie die Debatte über die "Rechte der Mutter Erde" hier in Cochabamba erlebt?

Das Thema der Naturrechte muss von unten her entwickelt werden, als Ergänzung zu den Menschenrechten und der Logik der westlichen Rechtsgeschichte. Für die Indígenas ist die Natur Teil eines Ganzen. Wir müssen das innerhalb der westlichen Logik formulieren, die bisher anthropozentrisch war. Wir sind Teil der Natur.

Die Realität sieht anders aus, auch in Venezuela und Bolivien.

Ja, es ist fatal, die "Pachamama", die "Mutter Erde", nur auf globaler Ebene zu betrachten und die nationale oder lokale Ebene auszuklammern. Der Widerstand gegen den Bergbau an einem bestimmten Ort betrifft uns alle, wir müssen "glokal" denken. Genauso wenig ist es denkbar, einen Umweltgerichtshof einzurichten, der nur über die Länder des Nordens urteilt. Man darf doch nicht den Splitter im Augen des Nächsten sehen und den Balken im eigenen ignorieren.

Erwarten Sie rasche Fortschritte?

Eine Ausarbeitung der Naturrechte ist wichtig, auch ihre Umsetzung. An den Unis müssten Projekte entwickelt werden, etwa über Verfassungsänderungen in diese Richtung, auch Gesetze. Dass geht nicht über Nacht. Es hat sehr lange gedauert, bis die Sklaven, Frauen oder Kinder Rechte bekamen.

Was halten Sie von dem Vorschlag, ein Umwelttribunal zu schaffen?

Man muss sehen, wie und wo man diese Arbeit macht. Für mich sollte er bei der UNO angesiedelt sein, vielleicht zunächst angelehnt an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und später eigenständig.

Und von dem Referendum über die Reduzierung der Rüstungsausgaben?

Das ist Hilfe bei der Bewusstseinsarbeit. Dabei hängt viel von den Fragen und den Gruppierungen ab, die das vorantreiben. Es gibt ja das historische Beispiel der 1990er, als man weltweit Millionen Unterschriften für einen Schuldenerlass sammelte.

Wie erklären Sie sich, dass gerade Bolivien in der Klimadebatte eine Vorreiterrolle eingenommen hat?

Seit dem Amtsantritt von Evo Morales werden hier völlig andere Debatten geführt. Die Bewegungen der Kleinbauern und der Indígenas beginnen zu fließen und ganz neue Räume zu erobern. Bei allen Widersprüchen gibt es eine viel größere Nähe zwischen den sozialen Bewegungen und der Regierung, als das in Ecuador der Fall ist.

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