Ökonom über China im Handelskonflikt: „Trump setzt auf Eskalation“

Handelskriege kennen keine Gewinner, sagt Ökonom Zhang Jun. Die Volksrepublik sollte ihre Märkte öffnen und stärker mit Europa zusammenarbeiten.

Ein Containerschiff liegt im Hafen von Qingdao

China verhängt Strafzölle auf US-Waren im Volumen von 200 Milliarden Dollar Foto: dpa

taz: Herr Zhang, wie gefährlich ist der Handelskonflikt mit den USA für China derzeit?

Zhang Jun: Der Schaden der bisher erhobenen Strafzölle hält sich bislang in Grenzen. Doch ab jetzt könnte es bitter werden. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Insbesondere der Handel mit den USA hat China enorm vorangebracht und ist für die weitere wirtschaftliche Entwicklung weiterhin wichtig. Ein Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt bringt in jeglicher Hinsicht erheblichen Schaden mit sich: für China, für die USA, für die ganze Welt.

Die chinesische Führung beteuert, das Land sei auf einen Handelsstreit bestens vorbereitet.

Nein, diese Einschätzung teile ich nicht. Schon jetzt sorgt der Handelskonflikt für große Unsicherheit unter chinesischen Unternehmern. Sie können nicht mehr abschätzen, was auf sie zukommt. Das Vertrauen ist dahin. Derzeit exportiert China Waren im Wert von 508 Milliarden Dollar im Jahr in die USA. Das ist ein sehr großer Batzen.

Welche Strategie verfolgt China?

Die chinesische Regierung hatte Gegenzölle in gleicher Höhe verhängt. Das wird aber schon mit dieser Runde nicht mehr aufgehen. China kann gar nicht so viele Strafzölle auf US-Waren erheben wie umgekehrt. Denn China importiert eben nicht so viel aus den USA. Peking hat Maßnahmen sowohl „quantitativer als auch qualitativer Art“ angekündigt. Was die chinesische Regierung sehr wahrscheinlich damit meint: Es gibt viele US-Unternehmen, die in China aktiv sind und viel investiert haben. Die könnte es dann direkt treffen.

Könnte China seine Währung, den Renminbi, abwerten und so dafür sorgen, dass die Exporte günstig bleiben?

Das ist nicht mehr so leicht möglich. Der Renminbi ist inzwischen nicht mehr nur an den Dollar gekoppelt, sondern richtet sich an einem Warenkorb einer ganzen Reihe von Währungen aus. Er wird viel stärker als früher vom Markt bestimmt. Wenn der Renminbi – wie derzeit – etwas schwächer bewertet wird, hängt das mit den Unsicherheiten im Zuge des Handelsstreits zusammen. Ein zu schwacher Renminbi ist gar nicht im Interesse der Führung in Peking. Denn das hieße, dass Kapital aus China abfließt und Ausländer weniger investieren.

China ist der größte Gläubiger der USA. Könnten die Chinesen Trump nicht den Geldhahn zudrehen?

55, ist Dekan am Wirtschaftsinstitut der Fudan Universität in Shanghai, China.

Ganz so einfach ist es nicht. Schon der Verkauf eines kleinen Teils würde den Kurs der Anleihen drücken. Und da auch andere Gläubiger davon betroffen wären, würden diese möglicherweise ebenfalls verkaufen. Die Folge: Es könnte zu einer Abwärtsspirale kommen. China hätte sich selbst geschadet. Tatsächlich ist die Regierung schon seit einigen Jahren dabei, diese gegenseitige Abhängigkeit zu reduzieren, und kauft weniger US-Staatsanleihen. China will seine Devisenreserven stärker diversifizieren. Das kann sie aber nur behutsam tun. Ein zu rasches Abstoßen von US-Staatsanleihen würde eine globale Finanzkrise auslösen.

Was bleibt China dann?

Peking allein kann gegen die mächtige USA nicht viel ausrichten. Wir sollten zugleich nicht vergessen: Trumps Handelskrieg richtet sich keineswegs nur gegen China, sondern nicht zuletzt auch gegen Europa. Deswegen sollte sich China stärker mit den anderen Ländern zusammentun.

Auch Europa wirft der Volksrepublik unfaire Handelspraktiken vor.

Ich bin schon lange der Auffassung, dass China seine Märkte nicht mehr so stark abschotten darf, sondern für ausländische Unternehmen stärker öffnen muss. Auch der erzwungene Technologietransfer ist falsch. Konzerne sollten selbst entscheiden können, welche Technologien sie mit Chinesen teilen und welche nicht. Aber genau diese Marktöffnung erfolgt jetzt ja. Der Joint-Venture-Zwang ist aufgehoben, die Beschränkungen für Banken und Versicherungsgesellschaften aus dem Ausland auch. China macht seine Hausaufgaben längst.

Könnten diese Schritte zu einer Lösung beitragen?

Aus Trumps Sicht kommt sie zu spät. Er scheint auf Eskalation zu setzen. Umso wichtiger ist, dass China keine allzu drastischen Gegenmaßnahmen wählt und die Auswirkungen auf den Welthandel im Blick behält. Das ist keine leichte Aufgabe. Nur: Handelskriege kennen eben keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Peking sollte daher auch weiterhin jede Möglichkeit nutzen, mit Washington im Gespräch zu bleiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.