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Ökonom Rose über den US-Schuldenstreit"Obama ist zu schwach"

Obama hat bei den Verhandlungen mit den Republikanern zu sehr auf Kompromiss gesetzt, kritisiert Ökonom Stephen Rose. Anleger wüssten genau, dass es sich um ein politisches Problem handele.

Vorhang auf für Barack Obama. Im Schuldenstreit hätte er nach Roses Meinung anders handeln müssen. Bild: dapd
Dorothea Hahn
Interview von Dorothea Hahn

taz: Herr Rose, worin unterscheiden sich die USA von Griechenland?

Stephen Rose: Niemand glaubt, dass die USA pleite geht. Anleger wissen, dass der US-Schuldenstreit kein ökonomisches, sondern ein politisches Problem ist.

Aber bei einer Zahlungsunfähigkeit wäre das Resultat dasselbe.

Die Regierung müsste alle ihre Mitarbeiter nach Hause schicken. Fünf bis zehn Tage später zahlt sie aber alles wieder zurück. Denn spätestens dann wird es ein Abkommen geben, und die USA werden ihre Schulden mit Zinsen und Strafen zurückzahlen. Die Märkte haben deswegen bislang kaum reagiert, weil sie wissen, dass es keine reale Langzeitdrohung gibt.

Wäre ein solches Drama in einem anderen Land denkbar?

Nein, wir können dieses Spiel nur deswegen betreiben, weil wir die größte Wirtschaft sind und unsere Schulden in unserer eigenen Währung halten. Thailand etwa hatte ein Problem, als der Bath um 50 Prozent abgewertet wurde. Thailands Schulden hatten sich verdoppelt. Fällt der Dollar hingegen um 50 Prozent, halbieren sich unsere Schulden.

Bild: Carl Bower
Im Interview: Stephen J. Rose

63, arbeitet und forscht über soziale Klassen in den USA an der Georgetown Universität in Washington, D.C. Rose hat auch im US-Arbeitsministerium gearbeitet.

Die Kreditgeber spielen mit?

Sie hätten ihrerseits ein Problem, wenn die US-Papiere plötzlich sehr viel weniger wert wären. Viele Banken gingen insolvent. Deswegen halte ich dieses Szenario für unwahrscheinlich. Realistischer ist, dass die Preise auf den Aktienmärkten fallen und die Zinsen steigen.

In den USA geht es um die Erhöhung der Schuldendecke von 14,3 Billionen Dollar. Bis zu welcher Summe ist eine Staatsverschuldung noch vernünftig?

Das hängt von der Wirtschaftsstärke ab. Japan etwa hatte 20 Jahre lang einen Schuldenberg, der doppelt so hoch war wie die Wirtschaftsleistung. Trotzdem ist das Land weiter gekommen. Der US-Regierung gehören Straßen, Flughäfen und Wälder. Eine Verschuldung bis zu 100 Prozent des BIP stellt für ein Land wie die USA an und für sich noch keine unvernünftige Belastung dar.

Ein Staatsbankrott der weltgrößten Volkswirtschaft wäre dennoch dramatisch. Kann der Präsident wirklich nichts tun?

Unser System gibt dem Präsidenten nur begrenzte Macht. Das Einzige, was Obama versuchen könnte, wäre die Berufung auf den 14. Verfassungszusatz. Dabei geht es zwar eigentlich um die Befreiung der Schwarzen von der Sklaverei. Aber das Gesetz legt auch fest, dass die USA grundsätzlich ihre Schulden zu zahlen haben. Deswegen meinen manche, der Präsident könnte die Schuldendecke auch ohne Gesetz erhöhen.

Was hat Obama falsch gemacht?

Ihm ist es nicht gelungen, den Forderungen der Republikaner nach massiven Kürzungen im sozialen Bereich entschieden genug entgegenzutreten. Und auch eine Erhöhung der Reichensteuer konnte er nicht durchsetzen. In seinem Bemühen, vernünftig zu wirken, hat er zu sehr auf einen Kompromiss mit den Republikanern gesetzt. Dabei hatte er von vornherein keine Chance.

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7 Kommentare

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  • G
    Geronimo

    Der soll die Teaparty und dann alle anderen rausschmeissen, die da nichts zu suchen haben: Alle Weißen. Und dann ab ins nächste Reservat und um eine Aufenthaltsgenehmigung gebeten! Schließlich ist das Indianerland und das osmanische Reich hielt auch nur 400 Jahre.

  • G
    geschichtswerkstatt

    Das wäre wirklich einmal interessant, zu sehen was passiert, wenn der 2 August ohne Einigung verstreicht. Eine bekannte Wallstreet-Kapazität hat ja charmant angedeutet, es könne eigentlich niemand irgend etwas Ernsthaftes dagegen unternehmen, nicht einmal die Chinesen, weil der Dollar die Märkte dominiert. Also, wenn Obama jetzt richtig gute Nerven hat, fährt er für paar Tage unerreichbar aufs Land mit seiner Familie und schlägt nächste Woche einen zehn- oder zwanzigprozentigen Schuldenverzicht für alle Gläubiger vor. Ich weiß jetzt nicht, ob man das auch nur für ausländische Gläubiger organisieren könnte. Amerika könnte quasi pleite gehen und es passiert weiter nichts.

  • B
    band

    "Anleger wissen, dass der US-Schuldenstreit kein ökonomisches, sondern ein politisches Problem ist. "

     

    Wer jemals in einem US-Industriebetrieb oder einer US-Bank war, weiß, dass das Schuldenproblem ausschließlich ein ökonomisches ist - die USA produzieren nichts, leisten sich das "biggest government of the world", geben pro Kopf mehr als jedes andere Land der Welt für soziale Wohltaten aus.

     

    Wo buddelt die taz nur immer diese namenlosen Experten aus?

  • D
    Domenq

    Laut Boehner reichen 900 Milliarden Dollar Schuldenausweitung für 8 Monate Ruhe - bis kurz vor den Wahlen.

     

    Wie kann man davon sprechen, dass eine mit 85 Grad ansteigende Schuldenkurve der Haushalts-Defizit(e) Zukunft haben?

     

    Der Kollaps kommt jetzt oder wenig später; da zeigen sich dann lediglich Charakterunterschiede.

  • OB
    Otto Bronnert

    wenn es so ist, dass durch den Verfall des Dollar auch die Schulden verringert werden, hieße das auch im Umkehrschluss, dass maßgebliche Finanzkreise, denen die Republikaner, auch die von der dummdreisten Tea-Paty wie etwa die Senatorin aus Alaska, ausgeliefert sind, erhebliche Verluste zu gewärtigen haben. Nehmen sie das in Kauf, nur um sich politisch durchzusetzen?

    Was ist, wenn man -Verluste einkalkuliert, auf einen Präsidentenwechsel setzt, der die USA zu einem autokratischen Staat a la Putin machen kann und wo noch mehr Profit für einige zu machen wäre?

  • J
    Jens

    Es geht derzeit bei den Verhandlungen um eine Anhebung der Schuldengrenze von derzeit 14,3 Billionen Dollar auf eine noch zu bestimmende Höhe und nicht wie in dem Interview erwähnt um eine Erhöhung auf 14,3 Billionen. Aber bei so vielen Nullen ist der Unterschied ja vermutlich nur marginal ;-)

  • E
    egal

    Ein Kompromiss könnte eigentlich auch Stärke gedeutet weden,also stehen die Schwächlinge auf der anderen Seite.Eine Sache der Auslegung.