■ Ökolumne: Für eine neue Ökonomie Von Irene Schöne
Der Hauptmangel der Diskussion um Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung ist, daß beide Probleme bisher nicht als systematische Folge wirtschaftlichen Handelns aufgefaßt werden. Und schon gar nicht werden sie als zwei Seiten derselben Medaille gesehen. So entzieht sich die Ökonomie ihrer Verantwortung.
Immer mehr Arbeitslose und immer mehr Umweltzerstörung sind aber keine zufälligen Ereignisse, keine Betriebsunfälle. Sie sind vielmehr Folgen einer Ökonomie, deren alleiniges Ziel die Erwirtschaftung von Gewinn ist. „Arbeit“ und „natürliche Umwelt“ dienen ihr als Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Sie sind für die Ökonomie lediglich Faktoren der Produktion.
Folgerichtig versucht die Ökonomie, sich des Kostenfaktors Arbeit weitgehend zu entledigen. Aber – hieß nicht eine der Forderungen der Aufklärung, daß kein Mensch Mittel sein dürfe? Und hat nicht Ökonomie trotz ihrer Entschuldigung, sie sei naturvergessen, doch einen Begriff von Natur, denn wie sonst gäbe es Märkte für Naturstoffe? Schon vor mehr als 50 Jahren schrieb Karl Polanyi, daß der Produktionsfaktor Boden die Natur bezeichnet. Die Ansicht, Arbeit und
natürliche Umwelt seien verfügbare Objekte, stammt aus den Gründerjahren der Ökonomie im 18. Jahrhundert. Sie ist heute längst nicht mehr zeitgemäß.
Sieht man in die Betriebspraxis hinein, findet man dort keinen Produktionsfaktor Arbeit, sondern wirklich tätige Menschen. Ohne handelnde Menschen bewegt sich nichts, kein einziges Geldstück, auch nicht im globalen Multimediadorf.
Sieht man in die Natur hinein, so begegnet man sich selbst. Durch die Ökologiebewegung ist uns wieder bewußt geworden, daß der Mensch ein konkretes, sinnliches Lebewesen ist, das sich im Evolutionsprozeß zum bewußt handeln könnenden Menschen entwickelt hat. Durch die Ökologiebewegung haben wir wieder gelernt, den Menschen als Teil von Natur zu verstehen, dessen Lebensgrundlage und dessen Mitwelt die „natürliche Umwelt“ ist, wie dies Klaus-Michael Meyer- Abich ausdrückt.
Wissenschaft entwickelt sich durch fortschreitende Erkenntnisse. Die Naturwissenschaften haben ihr altes mechanistisches Naturbild längst ad acta gelegt. Sie berücksichtigen zum Beispiel auch Wahrscheinlichkeiten statt Gewißheiten. Nur die Ökonomie hat sich dem bisher entzogen. Jetzt steht die Reform des Natur- und Menschenbildes der Ökonomie an.
Das grundlegende Paradigma der neuen Ökonomie ist der Stoff-Wechsel-Prozeß zwischen natürlichem Menschen und außermenschlicher Natur. Arbeit schaffen und die Umwelt schonen – das sind ihre Ziele, Kapital das Mittel. Die menschlichen Arbeitsvorgänge im Austausch mit Natur und Kultur werden möglichst rational und rationell geregelt, die Eingriffe des Menschen in die natürliche Umwelt getreu dem ökonomischen Prinzip so gering wie möglich gehalten. Die Entwicklung der Ressourcenproduktivität steht im Vordergrund. Vorwiegend regenerierbare Stoffe werden genutzt, Stoff- und Energiebilanzen erstellt.
Bisher werden die Probleme nur quantitativ betrachtet: Ökonomie mit all ihren Folgen soll auf angeblich noch nicht einbezogene Bereiche ausgedehnt werden. Heute muß es jedoch endlich darum gehen, Wirtschaftstheorie und -praxis zu verändern.
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