■ Oekolumne: Mißmanagement Von Nicola Liebert
Im vergangenen Jahr hat IWF- Chef Michel Camdessus noch steif und fest behauptet, es gebe gar kein Schuldenproblem, und wenn, dann jedenfalls keines, das unmittelbares Handeln erfordere. In diesem Jahr gibt er sich klüger. Camdessus hat zugestimmt, an der Erleichterung der Schuldenlast der ärmsten Länder teilzunehmen. Der IWF lernt. Oder? Der Chef der Schwesterorganisation Weltbank zumindest will das glauben machen. „Wir alle in der Bank sind sehr, sehr glücklich und sehr stolz“, freute sich James Wolfensohn nach Verabschiedung der Schuldeninitiative in Washington.
Werfen wir mal einen Blick auf – sagen wir – Nicaragua. Ein Land, das das große Glück hat, in den Genuß der Schuldenerleichterungsinitiative von IWF und Weltbank zu kommen – vielleicht. Irgendwann nach der Jahrtausendwende, wenn überhaupt. In Managua gebe es nach Wolfensohns Ankündigung kein Freudenfest, keine hupenden Autokorsos. Warum nicht? Die Menschen in Nicaragua wissen, was es heißt, sein Leben von IWF und Weltbank managen zu lassen. Noch unter den Sandinisten wurden die ersten Strukturanpassungsprogramme begonnen, und seit 1990 hat sich die Regierung Violeta Chamorro fast gänzlich dem Diktat aus Washington gebeugt.
Der Erfolg der Therapie: Die Hyperinflation wurde besiegt. Die Nebenwirkungen: Real verdient ein Nicaraguaner noch knapp 60 Prozent des Lohns von 1980. Wenn er oder sie überhaupt noch Arbeit hat. Wegen der Wirtschaftskrise, wegen der verordneten Schrumpfkur für den öffentlichen Sektor und der Privatisierung von Staatsbetrieben samt Entlassungen sind zwei Drittel der Nicaraguaner heute arbeitslos oder unterbeschäftigt. Vor allem die Frauen.
Die Umwelt wird bei diesem Management gnadenlos geplündert. Die einen, die Reichen und die multinationalen Konzerne, nutzen Nicaraguas natürliche Ressourcen für verstärkte Exporte. Die anderen, die ökonomisch den Boden unter den Füßen verloren haben, treiben Raubbau, um zu überleben. Die Bauern hatten kein Geld mehr. Dann pflügten sie noch die schlechtesten Böden um.
Das Schlimmste aber haben die Nicaraguaner noch gar nicht hinter sich. Nur nach noch härteren Einschnitten will die Weltbank ihnen im Jahr 2003 ein paar Schulden erlassen. Der IWF vergibt ohnehin kein Geld. Die verbilligten Kredite, die er als seinen Beitrag zur Schuldeninitiative anbietet, sind der stärkste Hebel des Fonds, den verschuldeten Ländern per Strukturanpassung dauerhaft sein Management aufzuzwingen. Daher an dieser Stelle ein Glückwunsch an die Bundesregierung, daß sie sich der Forderung entgegengestemmt hat, mit einem Teil des IWF-Goldes eine Ausweitung solcher IWF-Kredite zu finanzieren. Sie dachte zwar bei ihrer Blockade nicht an die leidende Bevölkerung, aber das tut nichts zu Sache.
Wohlwollend könnte man nun unterstellen, daß die Strukturanpassungsprogramme nur für eine Übergangszeit solche Härten mit sich bringen, daß aber längerfristig Weltbank und IWF das richtige Konzept haben. Wenden wir dafür einmal den Blick nach Washington, dem Hauptquartier der beiden Institutionen, und sehen uns an, was ordentliches Management nach Art des Hauses heißt.
Die Weltbank nämlich muß zwar kein Strukturanpassungsprogramm, aber ein „Hauptkomplex-Rehabilitierungsprojekt“ durchführen, zu deutsch Asbestsanierung. Seit 1983 läuft das Projekt, das Hauptgebäude steht seit langem unverändert als Betonskelett da. Ein paar Mal wurde die Sanierungsstrategie gewechselt, die Kosten haben den letzten Voranschlag von 1989 inzwischen um 70 Prozent überrundet, und selbst die Weltbank gibt zu, daß mindestens 20 Millionen Dollar schlicht verschwendet wurden. Gegenmaßnahme: Der Architekt, der das fortgesetzte Mißmanagement publik gemacht hatte, wurde gefeuert.
Mal ehrlich: Würden Sie einer solchen Institution auch nur Ihren Hausschlüssel anvertrauen – geschweige denn eine ganze Volkswirtschaft? Die stark verschuldeten Länder brauchen keine Programme à la IWF und Weltbank, sie brauchen einen Schuldenerlaß.
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