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■ ÖkolumneThema verfehlt Von S. Müller-Kraenner

Die Wirtschaftsforscher von RWI und Ifo haben aufgeschrieben, was sie vom Klimaschutzziel der Bundesregierung halten. Nämlich nichts. Die Kernaussage ihres gerade bekanntgeworden Gutachtens für Bundeswirtschaftsminister Rexrodt lautet: Entweder wir verkneifen uns das hochgesteckte Ziel des Kanzlers – nämlich im Jahr 2005 ein Viertel weniger Kohlendioxid in die Luft zu blasen – oder wir müssen den Standort Deutschland mit unrealistischen, teuren Baumaßnahmen in die Steinzeit zurückführen.

Meistens hat es ja einen heilsamen Effekt, wenn Realismus in die Politik einkehrt. Doch das Gutachten ist nicht realistisch, sondern parteiisch. Rexrodt und seine Gutachter benutzen das Realismusargument dazu, das deutsche Klimaschutzziel kaputtzureden.

Was steht in dem RWI/Ifo-Gutachten? Erstens erklären die Gutachter, es könne mit der Klimapolitik, wenn sie erfolgreich sein wolle, nicht weitergehen wie bisher. Die Programme der Bundesregierung greifen nicht. Die Emissionen sinken nicht, sie steigen wieder an. Zweitens: Selbst die vollständige Umsetzung des auf dem Papier stehenden Klimaschutzprogrammes der Regierung reicht nicht aus, des Kanzlers Klimaziel zu erreichen. Mehr ist nötig.

Und damit zum dritten Punkt: Auch die Selbstverpflichtung der Wirtschaft geht nach der Analyse von Wissenschaftlern über ein „Schau mer mal“ nicht hinaus. Die Wirtschaft hat sich mit großem Tamtam zu dem verpflichtet, was sie aus wirtschaftlichen Erwägungen ohnehin tun muß. Auf der Basis eines solchen Politikverzichts sind Erfolge nicht zu haben.

Was tun also? Vorschläge haben die beiden renommierten Forschungsinstitute kaum zu bieten. Zur Verkehrspolitik, wo derzeit der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid am rasantesten steigt, fällt den Ökonomen gar nichts ein. Empfohlen wird die bedingungslose Kapitulation vor dem Verkehrs- und Klimachaos.

Auch sonst haben die Ökonomen das Thema verfehlt. Kaum eine der angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung wird mit nachvollziehbaren Zahlen auf ihre Wirksamkeit geprüft. Einzig bei der Sanierung des Altbaubestands und bei den vermeidbaren Klimaschäden in der Elektrizititätserzeugung bieten die Gutachter Neues. Prognostiziert werden immense Arbeitsplatzverluste, weil angenommen wird, daß die in Panik geratene Bundesregierung in den kommenden acht Jahren 765 Milliarden Mark in ein Crashprogramm zur Altbausanierung steckt. In drei Jahren haben die Herren Gutachter die Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform und die Möglichkeiten einer Verkehrswende nicht einmal genauer angesehen.

Das politische Interesse von Wirtschaftsminister Rexrodt an einem solchen Sachzwang-Gutachten ist Insidern seit langem bekannt. Das Ziel, den deutschen Kohlendioxid-Ausstoß bis 2005 um 25 Prozent zu mindern, soll um fünf oder zehn Jahre verschoben werden.

Dazu verfolgt Rexrodt eine Doppelstrategie. Zum einen soll das Klimaziel innenpolitisch zur Illusion gestempelt werden. Zum anderen soll gleichzeitig die lästige deutsche Vorreiterrolle bei den internationalen Klimaverhandlungen untergraben werden, die hohe Erwartungen an das Musterkind Deutschland schürt.

Gerade hier schadet die Studie besonders. Die außenpolitischen Erwartungen waren in den vergangenen Jahren nämlich zum einzigen Argumente geworden, mit dem auch das Kanzleramt vom Klimaschutz überzeugt werden konnte. Der Kanzler hatte noch auf der Berliner Klimakonferenz versprochen, daß Deutschland seinen Ausstoß um 25 Prozent senkt.

Der Konferenzlyrik von Berlin sind keine Taten gefolgt. Kohl steht einer Regierung vor, die sich um die unangenehmen Details nicht kümmern mag, die die Einführung einer Energiesteuer gegen Waigel und bei die Förderung der Sonnenkraft gegen das Interesse der Stromkonzerne nicht durchzusetzen will.

Noch allerdings ist es nicht zu spät, Versprechen einzuhalten und politische Defizite zu beseitigen. Noch ist internationaler Kredit nicht völlig verspielt. Und eine deutsche Vorreiterrolle im Klimaschutz ist immer noch Voraussetzung dafür, daß es international vorangeht. Die Regierungsökonomen behaupteten, daß der Spielraum für diese Vorreiterrolle fehlt. Doch sie stellen falsche Fragen, geben falsche Antworten und werden von interessierter Seite für falsche Politik benutzt.

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