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■ ÖkolumneDer richtige Dreh Von S. Müller-Kraenner

Peter Mandelson, der Wahlkampfmanager von Tony Blair, hat uns mit dem „Spindoctor“ bekannt gemacht. Der Job des Docs aus dem War Room (neudeutsch für Wahlkampfzentrale) ist es, den Ereignissen, egal wie sie ausfallen, den richtigen „Spin“ zu geben, den richtigen Dreh also. Und dieser Dreh muß auf jeden Fall positiv sein.

Praktisch geht das so: Am Wahlabend rufen die Generalsekretäre aller Parteien den eigenen Sieg aus. Kommt die frohe Botschaft mal nicht so rüber, wie neulich in Niedersachsen, schlägt die eigene schlechte Laune auf den zurück, der sie verbreitet hat. Als Pfarrer Hintze und Guido Westerwelle die Bonner Runde im ZDF empört verließen, blieb nur der Eindruck schlechter Verlierer.

Lektion Nummer eins der Mediendemokratie: Die Menschen wollen Siegertypen. Sei es Filmheld Bruce Willis („Probleme? Ich liebe solche Tage!“), der gar nicht genug Gegner ins Visier bekommen kann, oder Kanzler Kohl, der ständig beteuert, daß er es „noch mal wissen will“. Und zweitens: Wer schon nicht als strahlender Sieger vom Platz gehen darf, sollte wenigstens nicht wie ein Verlierer wirken. Niemand will mit Loser-Typen in Verbindung gebracht werden.

Unter diesem Verliererimage leidet auch die Umweltbewegung. Wir vermitteln die Botschaft: „Die Lage ist ernst – und deswegen schau'n wir immer so traurig aus der Wäsche.“ Warum aber muß sich die Umweltbewegung ständig selbst kasteien? Haben wir wirklich keine Erfolge zu feiern?

Doch, das haben wir.

Etwa gegen die Atomenergie. Noch in den Siebzigern befand sich die Bundesrepublik auf dem Weg in den Atomstaat. Wollte die Bundesregierung damals die Atomenergie noch auf französisches Niveau hochschrauben, ist der Ausbau der Kernenergie heute gestoppt. Der letzte deutsche Atomreaktor ging vor zehn Jahren ans Netz. Der schleichende Ausstieg, der inzwischen begonnen hat, trägt die Namen Kalkar, Wackersdorf, Hanau und Mülheim-Kärlich. Die Bürgerproteste haben neue Atomreaktoren politisch undurchsetzbar gemacht. Heute löst es schon einen halben Volksaufstand aus, wenn versucht wird, ein paar Atommülleimer von Bayern ins westfälische Ahaus zu karren. Die Energiewirtschaft weiß, warum sie ihr Geld lieber in den Derivatenhandel, den Grünen Punkt oder sogar in Solarzellen steckt.

Oder gegen den Treibhauseffekt. Am 11. Dezember wurde das Protokoll von Kioto verabschiedet. Nach acht Jahren Verhandlungen liegt damit erstmals ein völkerrechtlich verbindlicher Beschluß auf dem Tisch, den CO2-Ausstoß zu vermindern.

War Kioto etwa kein Erfolg für die Umweltbewegung? Wenn wir die Presseerklärungen vom Abschlußtag durchlesen, bewegt sich das offizielle Ökorating zwischen „Desaster“ und „Mißerfolg“. Seltsam ist allerdings, daß auch die Gegenseite, die mächtige Öl- und Kohlelobby, keineswegs in Jubel ausbrach. Im Gegenteil: Ihre Taktik „verhindern, vertagen, verwässern“ war nicht aufgegangen. Der mächtigste, reichste und vielleicht korrupteste Wirtschaftszweig der Welt befindet sich seitdem auf dem Rückzug. Die Zeiten ewiger Expansion sind auf immer vorbei. Ab jetzt muß gespart werden: am Energieverbrauch und letztendlich auch am Profit. Ist nicht auch ein Teilsieg gegen einen solch mächtigen Gegner ein Grund zum Feiern?

Aber ja!

Den richtigen Dreh gefunden hatte Greenpeace, als Shell die Bohrplattform Brent Spar im Meer versenken wollte. Auf einmal fanden sich Millionen deutsche Autofahrer auf der Seite der Besetzer wieder. Der Sieg über Shell war nicht nur der Sieg von Greenpeace, sondern ein Sieg des Volkswillens über einen uneinsichtigen Multi. Die falschen Meßdaten, die Greenpeace gegen Ende der Kampagne irrtümlich bekanntgegeben hatte, störten einzig die Neider des Erfolges. Das Volk hatte Greenpeace schnell verziehen. Die Geschichte wird auch in der Umweltpolitik von den Siegern geschrieben.

Im September wird der neue Bundestag gewählt. Ob die Umweltpolitik danach besser wird oder schlechter, hängt nicht allein vom Wahlergebnis ab. Entscheidend ist, was die Umweltbewegung daraus macht. Die Botschaft muß lauten: „Wir sind bereit! Wir bringen die neue Regierung ökologisch auf Trab.“

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