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ÖkolumneDokument des rasenden Stillstands

■ Die Kilometerpauschale fördert den Pkw-Absatz und denn Verkehrsinfarkt

Die Flaute ist schon da, bevor das Schiff so recht den Hafen verlassen hat. Bliebe es beim derzeitigen Stand, würde eine der bei Experten meistgehaßten Steuersubventionen auch die Bildung einer rot-grünen Bundesregierung überstehen. Die sogenannte „Kilometerpauschale“ dokumentiert wie ein Fieberthermometer die Irrungen der deutschen Finanz- und Verkehrspolitik: Von 43 Pfennig im Jahr 1989 kletterte sie in kurzer Zeit auf 70 Pfennig (seit 1994) pro täglich zurückgelegten Entfernungskilometer. Eine Pendlerin, die für die 100 Kilometer lange Fahrt von Fulda nach Frankfurt den eigenen Pkw nutzt, reduziert ihr steuerpflichtiges Einkommen somit im Jahr um 15.400 Mark. Das bedeutet zwischen 3.000 und knapp 8.000 Mark mehr auf dem Konto. Je größer die Entfernung, desto höher das Plus. Das Münchner ifo-Institut betonte 1993, daß sich mancher seinen Kleinwagen alleine durch die Kilometerpauschale finanzieren könne. Diese als Maßnahme zur Förderung der beruflichen Mobilität verbrämte Absatzförderung des Pkws kostet den Fiskus jährlich zwischen drei und fünf Milliarden Mark.

Die Kilometerpauschale macht nicht nur ungleich (die Kunden von Bahn und Bus können nur die viel geringeren tatsächlichen Kosten absetzen, für Fahrradfahrer gelten 6 Pfennig/km), sie fördert auch den Verkehrsinfarkt. Immer mehr Menschen ziehen aufs Land, fahren täglich immer weiter zur Arbeit und erhöhen den Druck auf die überlasteten Verkehrswege. Indirekt schwächen sie die öffentlichen Verkehrsmittel. Unsere Beispielspendlerin stößt alleine mit ihren Fahrten zur Arbeit etwa dreimal soviel CO2 aus wie eine durchschnittliche Autofahrerin für alle Fahrten zusammen.

Noch vor kurzem sahen alle Parteien den Korrekturbedarf ein. Nachdem Legionen von Umwelt-, Verkehrs- und Steuerexperten eine Absenkung der Pauschale und die Gleichbehandlung der Verkehrsmittel (“verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale“) empfohlen hatten, war dies einer der wenigen unumstrittenen Aspekte der gescheiterten Steuerreform 1997. Die CDU wollte mit 40 Pfennig pro Kilometer sogar weiter runter als die SPD (50 Pfennig).

Das ist alles Schnee von gestern: Die Sozialdemokraten haben die Parole „Alles bleibt beim alten!“ ausgegeben. So groß ist ihre Furcht vor dem Zorn der autofahrenden Bild- Reporter, daß sie statt einer Senkung der Pkw-Pauschale lieber auch den Nutzern von ÖPNV und Fahrrad die 70 Pfennig zugestehen wollte – bis einer ausrechnete, daß dies weitere fünf Milliarden kosten würde.

Die auch von einigen Grünen aus Flächenländern erhobenen Warnungen vor „untragbaren Zusatzbelastungen“ verschleiern die tatsächliche Dimension des Themas. Die Fernpendler beherrschen die Diskussion. Die wirklich großen Strecken legt jedoch nur ein kleiner Teil der Arbeitnehmer zurück. Nach einer BUND-Umfrage legen 2 bis 5 Prozent über 100 km und 0,1 Prozent über 200 km für den Hin- und Rückweg zurück. Die amtliche Statistik deckt dieses Ergebnis: Der durchschnittliche Berufspendler ist pro Tag gut 16 km unterwegs. Tendenz allerdings steigend!

Viele der nun gegen die Senkung protestierenden Ballungsraumflüchtlinge vergessen allerdings gerne, daß sie bei ihrer Flucht vom Preisgefälle für Bauland profitierten. Während der Quadratmeter Bauland in unserem Beispiel bei Fulda für unter 300 Mark zu haben ist, fängt es für Bauherren im Rhein-Main-Gebiet mit vierstelligen Beträgen gerade erst an. Nur mit einer Entschlackung des Steuersystems von seiner artfremden Aufgabe der Verkehrssubventionierung wird es mehr Steuergerechtigkeit und eine umweltfreundlichere Verkehrspolitik geben. Und Arbeitnehmern wie Arbeitgebern ist durch kürzere Wege und bessere öffentliche Verkehrsmittel ebenfalls gedient.

Die Umsteiger auf den öffentlichen Verkehr kämen mit der Entfernungspauschale sogar besser weg, weil Autofahren – wenn alle Kosten einbezogen werden – je nach Fahrzeug etwa drei- bis sechsmal so teuer wie Bahnfahren ist. Mittelfristig könnte die Schweizer Lösung, grundsätzlich nur den Tarif der öffentlichen Verkehrsmittel anzuerkennen, zur vielgesuchten Win-win-Lösung (alle gewinnen) führen: Steuergerechtigkeit, weniger Umweltbelastung, Stärkung der öffentlichen Verkehrsmittel und solide Staatsfinanzen. Peter Westenberger

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