Ökolumne: Rot-Kohl im Kaschmir
■ Schröder steht nicht für Wirtschaft, sondern nur für die Großindustrie
Der Euro stieg, die Börsenkurse schossen in die Höhe, es schien, als sei die Nachricht vom Rücktritt Oskar Lafontaines eine Erlösung für die deutsche Wirtschaft.
Sicher, Lafontaine war der Exponent der reinen Nachfragepolitik. Sein Abgang gibt Hoffnung auf weniger Schulden, weniger Steuern. Mit ihm ist auch der Exponent der Globalisierungsgegner gegangen. Das gibt Hoffnung, daß man in der offenen Welt wieder Chancen für Arbeit und nicht nur Risiken für die Besitzstände sieht. Gerhard Schröder wird nun Regierung und Partei unumstritten in die Hand bekommen. Doch bringt das wirklich beserere Reformen?
Es war die Regierung Schröder, die eine ökologische Steuerreform ohne ökologische Wirkung verabschiedet hat. Einmal-Aktionismus statt langfristiger Preisszenarien – da kann kein Unternehmer in Umweltschutz investieren. Hinzu kommt eine ausufernde Bürokratie durch eine Unzahl von Ausnahmeregelungen. Und schließlich nutzt man das Steueraufkommen nicht, um die Steuern auf Leistung zu senken, sondern stopft mit der Ökosteuer Löcher im maroden Rentensystem. So diskreditiert man die ökologische Idee.
Und es war die Regierung Schröder – mit oder ohne Lafontaine –, die mit den sogenannten Korrekturgesetzen den Rückmarsch in die alte sozialdemokratische Gefälligkeitspolitik angetreten hat: Rücknahme der Rentenreform, Rücknahme der Reform der Lohnfortzahlung, Rücknahme von beitragssenkenden Maßnahmen in der Krankenversicherung. All das verteuert die Arbeitskosten und erhöht dadurch die Arbeitslosigkeit.
Rhethorisch setzt sich die Regierung für den Mittelstand ein. Nur dort könnten noch Arbeitsplätze geschaffen werden. Richtig! Aber wie sieht die Realität aus? Bei der Steuerreform hat es zwar vernünftige Korrekturen gegeben. Doch sonst sieht es schlecht aus: Da wird der starre Kündigungsschutz auf Kleinbetriebe mit gerade mehr als fünf Mitarbeitern ausgeweitet und die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtert.
Durch die Ausweitung der Sozialversicherungspflicht auf Selbständige ohne Mitarbeiter und mit nur einem regelmäßigen Auftraggeber wird Menschen der Weg zur eigenen Existenz verbaut. Die Folge: Aufträge werden aus Angst vor drohenden Beitragsnachzahlungen nun wieder an größere Firmen statt an Einzelkämpfer vergeben. Neueinsteiger in die EDV, in neue Medien und viele Dienstleistungen bekommen Knüppel zwischen die Beine, während der Kanzler das Hohelied vom Existenzgründer und Jungunternehmer singt.
Schröder schielt in Wirklichkeit auf die Arbeitsplätze in den Konzernen. Seine Wirtschaftspolitik entspringt dem Modell VW. Er ist ein klassischer Industriepolitiker: Schröder „classic“. Nicht umsonst wird das „Bündnis für Arbeit“ von der Großindustrie und den Großgewerkschaften dominiert. Kleine und mittlere Unternehmen schauen ebenso nur zu wie die Betriebsräte im Mittelstand. Dabei schaffen Unternehmer und Arbeitnehmer im Mittelstand neue Jobs, während sie die Großindustrie weiter abbaut.
Schröders Auftritt suggeriert Modernität. Doch auch er ist von gestern. Er lebt immer noch in der Vorstellung, daß er – an großen Knöpfen drehend – den Lauf der Wirtschaft steuern kann. Doch viele neue Betriebe funktionieren nicht mehr nach dem VW-Muster „Wareneingang-Produktion-Verkauf“. Die meisten neuen Arbeitsplätze werden bei kleinen Dienstleistern geschaffen. Wer sich daran messen lassen will, den Arbeitslosen Jobs zu geben, muß verstehen lernen, daß eine moderne Marktwirtschaft grundlegend anders funktioniert, als die klassische Industriepolitik zu erklären versucht. Doch hier sind beide von gestern: Schröder wie Lafontaine.
Die neuen Unternehmen brauchen die Freiheit von Konventionen und Tarifverträgen der Großindustrie. Sie müssen Gehälter und Arbeitszeiten in ihren Betrieben aushandeln dürfen, angepaßt an ihre eigene Situation. Sie brauchen Mitarbeiter, denen nicht durch hohe Steuern und Sozialabgaben die Lust am Arbeiten genommen wird.
Doch statt den Kleinen Flexibilität zu geben, schaut die Regierung beim Bündnis für Arbeit auf die großen Arbeitsplatzabbauer. Energiekonzerne, Bergbau, Airbus – dafür setzt sich der Kanzler ein. Das Schielen auf die Großkonzerne erinnert an einen anderen Klassiker: Helmut Kohl. Bloß die Qualität, der Preis und die Farbe des Gewandes, in dem Schröder daherkommt, unterscheiden ihn. Er erscheint auf der politischen Bühne als Rot-Kohl. Matthias Max Schön
Der Euro stieg, die Börsenkurse schossen in die Höhe, es schien, als sei die Nachricht vom Rücktritt Oskar Lafontaines eine Erlösung für die deutsche Wirtschaft.
Sicher: Lafontaine war der Exponent der reinen Nachfragepolitik. Sein Abgang gibt Hoffnung auf weniger Schulden, weniger Steuern. Mit ihm ist auch der Exponent der Globalisierungsgegner gegangen. Das gibt Hoffnung, daß man in der offenen Welt wieder Chancen für Arbeit und nicht nur Risiken für die Besitzstände sieht. Gerhard Schröder wird nun Regierung und Partei unumstritten in die Hand bekommen. Doch bringt das wirklich bessere Reformen?
Matthias Max Schön, (37), Chef der Großhandelsfirma Max Schön AG, ist im Vorstand des Bundesverbandes Junger Unternehmer Foto: Hans-Joachim Pfeiffer
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