Ökolumne: Zweierlei Maß
■ Nicht Sea Shepherd verbreitet Terror, sondern die Walfangflotte
Er soll ein „Terrorist“ sein, seine „Truppe“ sich in der Vergangenheit nicht davor gescheut haben, „auf Polizisten zu schießen“. Von wem hier die Rede ist? Vom Anführer einer Miliz, die ethnische Säuberungen durchführt? Oder von einem durchgeknallten Guerillero, der mit seinen Companeros der Staatsmacht den Krieg erklärt hat? Nein – ein Tierschützer ist gemeint!
Und zwar nicht irgendeiner, sondern jemand, der mit Recht von sich behaupten kann, das Leben tausender Wale, zehntausender Delphine und hunderttausender Robben gerettet zu haben. Dieser Mann heißt Paul Watson. Er wird nicht etwa polizeilich gesucht, sondern unterrichtet an Universitäten und hält Vorträge in der ganzen Welt.
Wieso stand dann am 30. 10. 99 in der taz, dass dieser Mann ein Terrorist sei? Vielleicht, weil der Autor jener Ökolumne, Michael Miersch, oberflächlich recherchiert hat und meint, mit krassen Behauptungen billig Aufmerksamkeit zu gewinnen?
Vor 22 Jahren gründete Kapitän Paul Watson die Organisation Sea Shepherd, welche sich dem Schutz der Meeresbewohner verschrieben hat. Seitdem führte er viele beeindruckende Aktionen durch und kämpft für die Einhaltung geltender Gesetze. Ohne Bezahlung, was nicht selbstverständlich ist in einer Zeit, in der andere Umweltschutzorganisationen fürstliche Gehälter zahlen. Niemals wurde bei Watsons Aktionen ein Mensch scharf beschossen oder verletzt. Ja, es ist richtig, dass Sea Shepherd unbemannte Walfangboote durch das Öffnen der Flutventile auf den Hafengrund geschickt hat und diese somit am Töten der Wale hinderte. So auch die Hälfte der isländischen Walfangflotte im Hafen von Reykjavik.
Watson stellte sich der Polizei und forderte eine Anklage, um so den illegalen Walfang vor einem internationalen Gericht öffentlich zu machen. Aber die Isländer setzten ihn wenige Stunden später in ein Flugzeug Richtung USA. Und sie erhoben keine Anklage, denn das Töten geschützter Wale durch Island war illegal!
Ähnlich verhielt es sich bei vielen Kampagnen gegen illegale Treibnetzfischer und Robbenjäger. Die Fangflotten vieler Nationen überfischen unsere Ozeane und scheren sich oftmals nicht um bestehende Gesetze. Norwegen und Japan treten internationale Abkommen zum Schutz der Wale mit Füßen. Japan schießt Wale sogar im Naturschutzgebiet Antarktis und zahlt Prämien für getötete Delphine. Alles falscher Alarm? Herr Miersch – der „Spezialist für Natur und Tiere“ – führt zum Thema der norwegischen Jagd auf Minkwale in der taz Zahlen an, die hauptsächlich den Bestand dieser Tiere auf der Südhalbkugel ausmachen, will damit aber die Jagd in nördlichen Gewässern für unbedenklich erklären.
Auch große Zahlen, Herr Miersch, besagen im falschen Zusammenhang gar nichts. Was bezweckt er mit der Veröffentlichung falscher und manipulierender Worte? Will er auf diese Art billige Werbung für seine fragwürdigen Bücher machen? Er denunziert mit seinen Worten die vielen ehrenamtlichen Helfer und seriösen Sponsoren. Sea Shepherd ist wohl die einzige Organisation auf der Welt, der man vorwirft, im Schutz der Umwelt zu aktiv zu sein.
Wenn Sea Shepherd gegen Kriminelle vorgeht, welche gegen geltende Gesetze die Artenvielfalt vernichten, wird dies als Terrorismus hingestellt.
Wie aber nennt man es, wenn ein norwegisches Kriegsschiff ein unbewaffnetes Boot mit Journalisten und freiwilligen Umweltschützern an Bord in internationalen Gewässern rammt und mit Wasserminen attackiert?
Wenn die dänische Küstenwache junge Menschen, die Pilotwale vor dem grausamen Abschlachten retten wollen, mit Tränengas und scharfer Munition beschießt?
Oder wenn ein kanadischer Eisbrecher ein Schiff von Tierschützern im Eis zu Schrott rammt, welches den Jägern den Zugang zu den neugeborenen Robbenbabies versperrte?
Ist die Tötung einer halben Million Robben in einem Jahr nicht auch eine Form des Terrors?
Dazu schweigen gewisse Öko-Journalisten lieber. Sea Shepherd handelt, um den kommenden Generationen eine Welt mit intakter Artenvielfalt zu hinterlassen. Boshafte Worte und falsche Anschuldigungen werden Sea Shepherd auch zukünftig nicht am Handeln hindern.
Hartmut Seidich, Sea Shepherd e. V.
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