Ökolumne: Total alle: Grüne Liga
■ Der ostdeutsche Umweltverband leidet an politischer Schwindsucht
Ein Münchner Theater hat seine Spielzeit dieses Jahr unter das Motto „Ach Deutschland“ gestellt. Ein ziemlich gutes Motto. Genau genommen ist es DAS Motto des Jahres, der Jahrtausendwende und des Wendejubiläums.
Auf dem Spielplan der Theater Deutschland AG stand zuletzt ein Stück zum Mauerfallgedenken. Die Kritiker waren sich schnell einig: Das, was die Akteure da im Reichstag abgeliefert haben, war vor allem eines: peinlich. Das darauf folgende Stück – in ihm ging es um Gnade für den unbeKRENZten Lächler Egon – hatte immerhin noch Unterhaltungswert. In dieser Woche war thematisch die Umweltbewegung der DDR dran. Das aktuelle Stück heißt „Ach Grüne Liga“.
Jede Menge honorige und weniger honorige Gratulanten stellten sich in Leipzig und Berlin ein, um der Ost-Umweltbewegung Respekt zu zollen. Doch selbst die Glückwünsche eines gerade amtierenden Bundesumweltministers gerieten in etwa so, wie man sie an einen fernen 75-jährigen Anverwandten richtet, dem es gesundheitlich nicht ganz so gut geht. Ist es der Magen? Die Lunge? Das Herz? Genaues weiß man nicht.
Am Anfang stand ein Ansatz, der geradezu ideal zu sein schien. Die DDR-Öko-Bewegung schuf sich vor zehn Jahren mit der Grünen Partei der DDR einen für den Parlamentarismus relevanten Körper; mit der „Grünen Liga“ ein außerparlamentarisches Gremium. Die Aktivisten reagierten mit diesem zweigeteilten Organisationsprinzip auf ihre Erfahrungen aus der DDR: Es ist wichtig in Parlamenten oder an runden Tischen tagesaktuelle Politik zu prägen. Wirklich ändern kann nur der Druck von unten.
Dem „Druck von unten“ wurden ein Netzwerkcharakter und der Name „Grünen Liga“ gegeben. Auch das eine Erfahrung der DDR: Es macht keinen Sinn, wenn jeder isoliert vor sich hinwurstelt. Lasst uns ein Netzwerk gründen, das keiner bevormundet, Kompetenzen aber bündelt und Aufgaben verteilt. So schön der Ansatz war, zehn Jahre später ist das Ergebnis ernüchternd. Grüne Ost-Erfahrungen kommen heute bei den regierenden West-Grünen weder ideell noch personell vor. Das Netzwerk „Grüne Liga“ kämpft gegen die politische Bedeutungslosigkeit. Eine spezielle Ost-Stimme im Chor der Deutschen Umweltverbände ist nur selten hörbar. Mehr noch: Der Ost-Umweltverband muss aufpassen, um seine wichtigste Funktion nicht im Dasein eines Sammelbeckens zu fristen – eines Sammelbeckens für Randexistenten, die die Wende produziert hat.
Natürlich gibt es objektive Gründe für die ernüchternde Bilanz. Der erste: Weil es vor zehn Jahren kaum Leute mit Sachverstand und ohne das falsche Parteibuch gab, wechselten etliche Öko-Aktivisten in die neuen Verwaltungen. Das bedeutete aber: Ihr Sachverstand fehlte jetzt dem „Druck von unten“. Dann kam die Zeit in der Öko „in“ war, Jobs aber gerade ausgingen. Die „Grüne Liga“ entwickelte sich zum Öko-Molloch. Kein anderer Umweltverband Europas stellte so viele Leute ein. Der Struktur-unerfahrene Verein war in Spitzenzeiten Arbeitgeber für 450 ABMler. Nicht nur, dass dieser Moloch überhaupt nicht beherrschbar war. Er verdrängte auch viele, die sich bis dato ehrenamtlich engagierten.
Noch heute trägt die Liga Ballast aus dieser Zeit. Etliche kluge Köpfe rieben sich im Strukturdschungel auf. Vieles von der Kreativität, die einst als Stärke die Umweltbewegung Ost dominierte, ging verloren. Stattdessen macht sich Bitterkeit breit.
Tacheles zum Jubiläums- und Jahrtausend-Wendejahr. Die Umweltbewegung der DDR war hoch politisiert. Genau daran fehl es heute der „Grünen Liga“. Erinnert euch an die Zeit, als alles möglich schien! Streuobstwiesen sind wichtig – doch sollte man auf ihnen nicht den politischen Druck begraben.
Dem Netzwerk der Grünen Liga fehlt ein kraftvolles Dach. Besinnt euch auf die Stärken! Die Liga hat immer dort überzeugt, wo es um lokale Umweltpolitik ging. Wo es galt, ostspezifische Interesse zu vertreten. Und als Know-how-Drehscheibe nach Osteuropa.
Unter dem Motto „Ach Grüne Liga“ blickten die Umweltaktivisten der DDR auf ihren Aufbruch in ein neues Land zurück. Ob dieses „Ach“ als Seufzer, als wegwerfende Resignation oder als anerkennendes „Sieh mal an“ zu werten ist, wird sich bald zeigen. Viel Zeit bleibt nicht. Nick Reimer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen