Ökologie: Elbfische schnappen nach Luft
Heißes Wetter lässt Sauerstoffgehalt unter kritischen Wert sinken. Fischer berichten von Fangeinbußen. Kraftwerk seit Tagen gedrosselt. Kein Problem für Weser.
In der Elbe hat sich wieder ein Sauerstoffloch aufgetan. An zwei von drei Mess-Stellen in Hamburg ist der Gasanteil im Wasser am Donnerstag erstmals in diesem Sommer unter den für Fische erträglichen Wert gesunken. Weil das Elbwasser so warm ist, hat ein Heizkraftwerk von Vattenfall bereits Ende Juni seine Leistung gedrosselt. An Ems und Weser gibt es keine Probleme mit dem Sauerstoffgehalt.
Umweltschützer machen für das Sauerstoffloch die jüngste Elbvertiefung Ende 1999 verantwortlich. Tatsächlich gibt es zumindest eine zeitliche Koinzidenz zwischen dieser Vertiefung und dem Sauerstoffloch. Das Thema spielt auch eine Rolle bei der Diskussion über eine weitere Vertiefung. Die Umweltverbände WWF und BUND wollen der Hamburger Wirtschaftsbehörde am Freitag ihre Stellungnahme zu den Plänen überreichen. Das Konzept für die Vertiefung hatte schon zweimal überarbeitet werden müssen.
Die drei Fischer, die noch von der Elbe leben, erfahren die ökologischen Veränderungen direkt. "Der Fang ist drastisch eingebrochen und die Fische in der Bünn drohten zu ersticken", berichtet der Fischer Walter Zeeck. "Wir haben den Fangplatz Wittenbergen fluchtartig verlassen, um mit unserem gehälterten, lebenden Fang in sauerstoffreicheres Wasser auszuweichen." Zeecks Kutter verfügt über Schlitze im Kiel, die seinen Fang mit frischem Wasser versorgen.
Jedes Jahr im Sommer sinkt der Sauerstoffgehalt des Elbwassers unter drei Milligramm pro Liter.
Mit der Wende, als das Elbwasser immer sauberer wurde, wurde das Loch kleiner: Der Sauerstoffgehalt sank weniger drastisch und über einen kürzeren Zeitraum.
Mit der Elbvertiefung 1999 verschlechterte sich die Lage wieder.
Eine Renaturierung, zumindest in Teilen, die dem Fluss Überschwemmungs- und Flachwassergebiete zurückgibt, soll den Fischen wieder Luft verschaffen. Dafür gibt es konkrete Pläne. Diskutiert wird ein Umweg für Fische um den Hamburger Hafen herum.
Seinen Fang aus Aalen und Zandern konnte Zeeck zwar retten; solange das warme Wetter jedoch andauert, muss er sich darauf beschränken, sein Boot zu warten. Denn der Fangplatz vor Wittenbergen ist der letzte, den ihm die vielen Elbvertiefungen übrig gelassen haben. "Dieser Fischbestand ist jetzt ernsthaft bedroht und wird sich nach aller Erfahrung in diesem Jahr nicht mehr erholen", sagt Zeeck.
Der Sauerstoffanteil sinkt im Sommer regelmäßig unter die kritische Grenze von drei Milligramm pro Liter. Der Mechanismus, der dazu führt, beginnt auf den überdüngten Äckern, von denen Nährstoffe in den Strom gespült werden. Sie lassen Algen gedeihen, die im flachen Strom in den Hafen gespült werden, wo das Flussbett dann schlagartig zehn Meter tiefer wird. Dort unten ist es finster. Ohne Licht sterben die Algen und verrotten unter Verbrauch von Sauerstoff. Behörden und Umweltschützer streiten darüber, ob die Düngung oder die Vertiefung der entscheidende Faktor ist.
Weil auch die Sedimentationsdynamik der Elbe seit der jüngsten Vertiefung aus dem Ruder gelaufen ist, arbeitet das Hamburger Hafenamt (HPA) an einem Tideelbekonzept, das dem Strom Flachwasserzonen zurückgeben soll. Dann gäbe es auch für Zeeck und dessen Kollegen wieder ein paar mehr Fanggründe. Trotz alledem hofft der Fischer, "dass mal ein vernünftiges Hafenkonzept kommt und die großen Schiffe nach Wilhelmshaven fahren."
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