Mehr als ein Bett

In der 24/7-Wohnungslosenunterkunft in Kreuzberg können Frauen so lang bleiben, wie sie wollen. Aber das Projekt ist gefährdet

Von Kajo Roscher

Frauen sitzen beieinander, gebückt über noch fast weiße Leinwände, auf denen sie langsam ihre Geschichten in bunten Farben entstehen lassen. Währenddessen sprechen sie über ihre Probleme und öffnen sich einander. So berichtet die Psychologin Hanna Höhe vom einem „Kreativnachmittag“ in der Wohnungslosenunterkunft für Frauen am Halleschen Tor.

Dass sich diese Szene in einer Berliner Obdachlosenunterkunft regelmäßig so abspielt, wirkt auf den ersten Blick kaum möglich. Üblicherweise müssen obdachlose Menschen die Notunterkünfte am frühen Morgen verlassen. Doch in der sogenannten 24/7-Unterkunft dürfen sie den ganzen Tag bleiben und das sogar über Wochen oder Monate hinweg.

„Das ist ein Angebot, was es zu erhalten gilt“, sagt Senatorin für Arbeit und Soziales, Cansel Kiziltepe, die am Donnerstag die Unterkunft besuchte. Denn nur die Langfristigkeit des Angebotes ermögliche nachhaltige Erfolge.

„Es bedarf sehr viel Zeit. Unser höchstes Gut ist, dass wir die haben“

Ivo Titze, Sozialarbeiter

Laut eines Zwischenberichts, den das Institut für Sozialökonomische Strukturanalysen im Mai dem Senat übergab, wechseln 6 Prozent der Frauen in betreutes Wohnen oder eigene Wohnungen. 10 Prozent verlassen die Unterkunft, um im Gesundheitsbereich, beispielsweise einer stationären Therapie unterzukommen. Der überwiegende Teil der Frauen geht zurück auf die Straße oder macht keine Angaben. Dass diese Vermittlungszahlen klein wirken, erklärt der Fachverantwortliche Jens Rockstedt so: „Für uns zählen auch die kleinen Schritte als Erfolge.“ Die Beantragung von Ausweisdokumenten oder Wohnungsberechtigungsscheinen sei für viele schon ein großer Schritt.

Zur Zeit gibt es in Berlin zwei 24/7-Unterkünfte. Diese sind momentan beide bedroht, da die EU-Förderung im Herbst dieses Jahres ausläuft. Kiziltepe beteuert, dass sie für die weitere Finanzierung kämpft, aber sicher ist diese vor allem vor dem Hintergrund der drohenden Haushaltskürzungen nicht.

Dabei sei es sehr wichtig, dass wohnungslose Frauen die Möglichkeit haben, länger an einem sicheren Ort zu bleiben, sagt Höhe. „Sie können erst mal wieder Energie sammeln, die sie schon längst nicht mehr haben.“ Danach seien sie überhaupt erst in der Lage sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen und die Beratungsangebote anzunehmen. Sozialarbeiter Ivo Titze stimmt zu: „Es bedarf sehr viel Zeit. Unser höchstes Gut ist, dass wir die haben.“

Das Happy Bed Hostel hat Platz für 65 Frauen. Blick aus dem Gemeinschaftsraum  Foto: Kajo Roscher

Ein weiterer Vorteil sei der unbürokratische Aufnahmeprozess, betont Titze. Die Staatsbürgerschaft spiele keine Rolle und auf Wunsch können die Frauen anonym bleiben.

Genauso willkommen wie alle anderen Frauen sind trans* Frauen. Höhe erklärt, dass diese in anderen Obdachlosenunterkünften für Frauen meist erst nach der Änderung des Personenstandes zugelassen werden. Das ist allerdings ein langwieriger, teurer Prozess zu dem wohnungslose Menschen oft keinen Zugang haben. Titze betont: „Wenn hier eine Person steht und sagt, ich bin eine Frau und weiß nicht, wo ich schlafen soll, dann nehmen wir diese Person auch auf.“ Zu Diskussionen komme es durchaus zwischen den Bewohner:innen, das betreffe auch Rassismus. Aber vieles lasse sich durch Gespräche und Aufklärungsarbeit lösen.