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Obdachlosenzeitung „mob“

■ betr.: „Wir stehen nicht zum Ver kauf“, taz vom 16.7.94

Ein ganz schön schwacher Artikel: Da geht eine taz-Mitarbeiterin zu einer Pressekonferenz, notiert sich die Sätze, die am lautesten in den Ohren klingeln, schreibt das einigermaßen griffig zusammen – hält es aber nicht für nötig, auch nur fünf Minuten zusätzliche Recherche zu betreiben. [...]

Zu den Fakten:

Der Herausgeber der Obdachlosenzeitung mob, die Berliner Initiative gegegen Wohnungsnot (BIN e.V.) ist ein seit mehr als zehn Jahren in der Obdachlosenarbeit aktiver Verein, der u.a. seit 1988 Binfo herausgab, einen Berliner Informationsdienst zum Thema Wohnungsnot und Obdachlosigkeit. Im vergangenen Jahr ergab sich die einmalige Gelegenheit, 100.000 DM Startkapital für die Herausgabe einer Straßenzeitung für Obdachlose aufzutreiben. Das zielte auf Vorbilder in London und Hamburg, wo sich durch den Straßenverkauf zahlreiche Obdachlose den Lebensunterhalt sichern können.

In Berlin wurden drei hauptamtliche Redakteure eingestellt, ein Büro angemietet und die notwendige Technik bereitgestellt. Fünf Ausgaben wurden inzwischen herausgegeben, wenngleich schon am Anfang solche Spannungen innerhalb der Redaktion auftraten, daß einer Redakteurin gekündigt werden mußte.

Tatsächlich hat BIN der Redakton von mob zum 31.7.94 gekündigt. Dies erfolgte allerdings auf ausdrückliche Empfehlung der betroffenen MitarbeiterInnen, die diese auf der BIN-Mitgliederversammlung vom 28.6.94 vorgetragen haben.

An diesem Tag legte die finanziell, organisatorisch und inhaltlich bis dahin fast völlig autonom arbeitende Redaktion – nach etlichen diesbezüglichen Anmahnungen – zum ersten Mal (per Tischvorlage) einen Bericht über die Geschäfte der ersten fünf Monate und die finanzielle Lage des Projekts mob vor. Das Ergebnis dieses zunächst noch sehr groben Überblicks war genauso überraschend wie niederschmetternd: 70.000 DM waren bei Drucklegung der fünften Ausgabe genauso aufgebraucht wie alle bis dahin erzielten Einnahmen. Es waren nur noch die 30.000 DM Sicherheitsreserven geblieben, die von Anfang an als Rücklage für den Fall des Konkurses eingeplant war (vor allem für Gehaltsforderungen der drei RedakteurInnen, die den Hauptteil der Kosten ausmachen).

Als Fazit hatte die Redaktion vorgeschlagen, mob zunächst von Ausgabe zu Ausgabe zu hangeln – mit jeweiliger vorsorglicher Kündigung der RedakteurInnen.

Die von BIN daraufhin eingeleitete unabhängige Prüfung der Buchhaltung führte bei erster Durchsicht dann allerdings in noch tiefere Abgründe, stellte es sich doch heraus, daß die Sicherheitsreserve nicht mal reichen würde, alle Forderungen zu decken. Konkurs, wie er im Buch steht, handelt es sich doch bei BIN nicht um einen Wohlfahrtsverband, sondern um einen ausschließlich ehrenamtlich tätigen Verein ohne größere Rücklagen.

Als sich dann noch herausstellte, daß in dieser finanziell angespannten Lage sich die Redaktion ihr Urlaubsgeld (1/2 Gehalt) einen Monat früher als üblich genehmigte – und noch Mitte Juni ein neues Finanzbuchhaltungsprogramm für 1.150 DM kaufte, woraufhin dann ein neuer (dritter) Computer für 2.450 DM fällig wurde, um dieses Programm überhaupt abspielen zu können, war das zuvor überreichlich vorhandene Vertrauen zerstört, und BIN mußte seinen Pflichten als Herausgeber und Arbeitgeber nachkommen. Zugegeben: viel zu spät!!!

Einer der Hauptfehler des Herausgebers war, für dieses Projekt drei Hauptamtliche einzustellen, und dann weder wirkliche journalistische Profis noch Fachleute. Im Ergebnis entstand eine Monatszeitschrift, die für eine ganz spezielle Leserschaft zurechtgezimmert war – statt eng am eigentlichen Thema Wohnungsnot (von der politischen Dimension bis zum Alltag der Betroffenen) voll von kultur- avantgardistischen Exkursen. Einziger Vorteil: Mit so einer Zeitung macht man niemandem so richtig Konkurrenz.

Wenn BIN das Projekt mob jetzt einstellt, machen es sich die Beteiligten damit bestimmt nicht einfach. Schließlich handelt es sich um die Verwirklichung einer über Jahre entwickelten Idee, in der unendlich viel ehrenamtliche Arbeit steckt. Doch konnte sich mit Sicherheit niemand bei der BIN vorstellen, daß sich bei den Voraussetzungen ein solches Projekt mit nur fünf Ausgaben zugrunde wirtschaften läßt.

Sollten die RedakteurInnen (dann wohl ehrenamtlich) und die verbliebenen VerkäuferInnen das Probjekt mob weiterführen – und diesbezüglich ein tragfähiges und wirklich selbstverantwortliches Konzept vorlegen, wird BIN dem nicht nur keine Steine in den Weg legen, sondern dies nach Möglichkeit fördern – mob als Selbsthilfeprojekt wäre sicher noch einen Versuch wert. Torsten-Arne Meyer,

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