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ObdachlosenhilfeDie "Arche" darf nicht mehr "Landowsky" heißen

Namenssachen aus Neukölln.

Namen sind Schall und Rauch? Von wegen. Das Diakonische Werk Neukölln hat der Treptower Wärmestube in der Bekenntniskirche verboten, sich "Landowsky" zu nennen. Wo Arche drin ist, soll auch "Arche" draufstehn, findet der Träger der Sozialeinrichtung. Und: Wer das für falsch hält, fliegt raus.

Dabei tragen den fürsorglichen Namen "Arche" mittlerweile gleich drei soziale Einrichtungen in Berlin. Die meisten kennen unter diesem Namen das Kinderhilfsprojekt Hellersdorf, einige das ökumenische Frauenzentrum "Evas Arche" und nur sehr wenige das Treptower Obdachlosenprojekt. Hier, in den Räumen der Bekenntniskirche, bekommen Obdachlose ein warmes Essen und eine spartanische Unterkunft für eine Nacht.

Um sich wieder eindeutig erkennbar zu machen, hatten die Mitarbeiter der Wärmestube ihrem Projekt im vergangenen Frühjahr kurzerhand einen neuen Namen gegeben: "Nachtcafé Landowsky" - nach jenem Klaus-Rüdiger Landowsky, der lange die CDU-Fraktion führte, Vorstand der Bankgesellschaft war und infolge des Bankenskandals wegen Untreue zu 16 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Welch feine Ironie: Hatte doch Landowsky in Bezug auf Armut von "Ratten und Gesindel" gesprochen.

Die Namengebung schien niemanden zu stören, die Medien stürzten sich auf den Gag. Mit Aktionen wie "Benefizkonzert für Landowsky" kam Geld in die Kasse und die Presse ins Haus. "Endlich gab es mal eine interessierte Öffentlichkeit", sagt Karsten Krampitz, 38, der Wortführer des Projekts, "weil der Name nicht nur nach sozialem Elend klingt, sondern auch eine politische Aussage hat".

Das Nachtcafé war 1991 im Rahmen des grün-ökologischen Netzwerks "Arche" entstanden, aus dem zuvor auch die DDR-Grünen hervorgegangen waren. Entsprechend basisdemokratisch sind die Gewohnheiten der Mitarbeiter bis heute: Dem Träger erzählten sie von ihrem neuen Namen nämlich nichts.

Das Diakonische Werk Neukölln hatte den Medienrummel offenbar völlig verschlafen und bekam erst vor drei Wochen Wind vom "Landowsky": Das Team hatte den selbst gewählten Namen in den Schaukasten gestellt, woraufhin sich ein Gemeindemitglied bei der Geschäftsführung beschwerte. "Da hat wohl jemand den Witz nicht verstanden", frotzelt Krampitz. Geschäftsführer Siegfried Lemming sieht das nicht so locker: "Das Nachtcafé heißt 'Arche', und da ändert sich nichts dran. Alle Öffentlichkeitsarbeit geht über meinen Tisch", sagt er, so stehe es schließlich im Vertrag. Krampitz ist vor wenigen Tagen vom Dienst suspendiert worden; die traurige Nachricht überbrachte der Gemeindepfarrer.

Eine Disziplinarstrafe? 2004 hatte die Gemeinde der Bekenntniskirche das Diakonische Werk gebeten, die Trägerschaft für die "Arche" zu übernehmen. "Die haben die Infrastruktur, um die Bürokratie zu bewältigen", sagt Gemeindepfarrer Paulus Hecker. Das Diakonische Werk kümmert sich seitdem um die lebenswichtigen Zuschüsse von Bezirk und Land. Geschäftsführer Lemming fürchtet, dass das Spiel mit dem Namen des CDU-Politikers die politische Neutralität der gesamten Einrichtung gefährden könne: "Wir haben einen Ruf zu verlieren. Die Politik wechselt ja alle paar Jahre, wir sind aber auf zuverlässige Zuwendungen angewiesen." Das Diakonische Werk Neukölln-Oberspree ist Träger von über 30 sozialen Einrichtungen in Berlin.

Krampitz selbst fühlt sich persönlich gedemütigt. "Seit 17 Jahren mache ich das hier. Der Geschäftsführer hat sich ja noch nicht mal an mich persönlich gewandt." Er ist außerdem enttäuscht von seinen Teammitgliedern: "Es ist erschreckend, wie schnell das mit der Entsolidarisierung geht." Als von der Diakonie das Ultimatum kam, der Name "Landowsky" müsse innerhalb von zwei Tagen aus allen Webseiten und Schaukästen verschwinden, andernfalls werde man die gesamte Belegschaft austauschen, habe das Team so gut wie keinen Widerstand geleistet. "Die sind sofort eingeknickt aus Angst um ihre Jobs." Die meisten Mitarbeiter sind Studierende, die auf 600-Euro-Basis Nachtschichten in der Wärmestube übernehmen. "Die geben so viel Freiheit auf für ein nichts an Sicherheit", sagt Krampitz, "ich bin da sehr traurig."

Der Journalist und freie Autor würde am liebsten einen Verein gründen und das Nachtcafé wieder frei betreiben. Aber erst einmal muss er seine Uniprüfungen abschließen. Eine hat er schon bestanden - vor wenigen Tagen: "Ich hab eine 1,3 gemacht - Thema: Säkularisierung im Armenwesen".

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