Obdachlose Roma: Remise für Roma
Die vom Senat geplante Notunterkunft für obdachlose Roma-Familien soll in Charlottenburg entstehen.
Eine von der Senatsverwaltung für Integration geplante Notunterkunft für obdachlose Roma-Familien soll offenbar im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf entstehen. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der CDU-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung an das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hervor. Geplanter Standort der für 70 Personen geplanten Unterkunft ist demnach die Remise eines Mietshauses in der Sophie-Charlotten-Straße am Rand des Klausenerplatzkiezes.
Im Bezirksamt stößt der Plan deshalb auf wenig Gegenliebe. Das Bezirksamtskollegium – die fünf StadträtInnen samt Bürgermeister – stehe den Überlegungen der Senatsintegrationsverwaltung „sehr kritisch gegenüber“, heißt es in der Antwort an die CDU-Fraktion. Dies habe „standortbezogene Gründe“, da in direkter Umgebung von der Senatsverwaltung für Soziales die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft geplant sei. Zwei Flüchtlingsheime gibt es in der Nähe bereits. Weitere ähnliche Einrichtungen „in so enger räumlicher Nähe“ lehnt das Kollegium ab. Zwei Stadträte des Bezirks, darunter Bürgermeister Reinhard Naumann, gehören der SPD an, zwei der CDU, eine ist grün.
Man verweigere sich der geplanten Unterkunft aber „nicht grundsätzlich“, sagt Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU). Die Bedenken des Bezirks bezüglich des Standorts würden von der Senatsintegrationsverwaltung aber „nicht ausreichend gewürdigt“. Dabei sei der Kiez „bereits deutlich belastet“. Schulen und Kitas hätten keine Kapazitäten mehr, weitere Kinder ohne Deutschkenntnisse aufzunehmen. Die örtliche Grundschule hat laut Schulstadträtin Elfi Jantzen (Grüne) derzeit bereits drei entsprechende Lerngruppen eingerichtet. Zudem sei die Immobilie in der Sophie-Charlotten-Straße fast komplett vermietet, so Engelmann: Bewohner und Gewerbe fürchteten die Verdrängung.
Eigentümerin des Gebäudes ist die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, die in Neukölln bereits ein Wohnprojekt für Roma-Familien betreibt, das überregional Anerkennung findet. Die Gesellschaft habe das Gebäude in Charlottenburg selbst angeboten, sagt die Landesintegrationsbeauftragte Monika Lüke, die die Einrichtung der Notunterkunft umsetzt. Was der Stadtrat als Standortproblem sieht, ist für die Integrationsbeauftragte ein Vorteil: Der Klausenerplatzkiez sei „für seine Buntheit bekannt“, so Lüke. Sie sei deshalb optimistisch, „dass wir Vorbehalte im Bezirksamt und im Kiez abbauen können“. Dafür sei eine Bürgerversammlung geplant.
Der sieht Klaus Betz mit Spannung entgegen. Denn es gebe bereits „Besorgnis und Unruhe“ bei den AnwohnerInnen in dem dicht besiedelten Kiez, sagt der Vorsitzende des Kiezbündnisses Klausenerplatz. Grundsätzlich ablehnend steht Betz dem Projekt aber nicht gegenüber: „Es kommt auf die Bedingungen an.“ Ein „lagerartiges Notquartier“ auf dem teils gewerblich genutzten Hinterhof sei niemandem zumutbar, „aber wenn das wie in Neukölln läuft, mit vernünftigen Wohnbedingungen, ist das auch hier vorstellbar“. Schließlich seien Engagement und „moralischer Anspruch“ im Kiez hoch, so Betz: „Wir können ja nicht alle immer nur sagen, Unterkünfte ja, aber bitte nicht bei uns.“
Das sieht Ülker Radziwill, sozialpolitische Sprecherin der SPD im Abgeordnetenhaus, ähnlich. Der Kiez um den Klausenerplatz liegt in ihrem Wahlkreis. Es sei eher „Verunsicherung aufgrund mangelnder Information“, was ihr in ihren BürgerInnensprechstunden dort begegne, so Radziwill: Man müsse die AnwohnerInnen deshalb „jetzt schnell einbeziehen“ und dann „nachbarschaftliche Unterstützung organisieren, damit die dort angesiedelten Familien nicht isoliert bleiben“. Sie findet „dezentrale, kleine Einrichtungen“ wie die geplante „gut für beide Seiten“: Es gebe dann „keine Konzentration von Problemen und den Menschen ist leichter zu helfen“. Einen Gesprächstermin haben Kiezbündnis und Senatsverwaltung bereits vereinbart. Danach soll die Bürgerversammlung stattfinden. Untersagen könne das Bezirksamt die Notunterkunft nicht, „wenn der Eigentümer das machen will“, so Stadtrat Engelmann. „Aber wir werden da eine ernste Auseinandersetzung mit der Senatsverwaltung führen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja