Obamas Kabinett unter der Lupe: Ein gemischtes Team
Der Senator Obama hat in den USA einen "wind of change" entfacht. Doch wird der Präsident Obama sein Versprechen halten? Die Besetzung seines Kabinetts weckt leise Zweifel.
Eigentlich wollte Barack Obama sein Kabinett schon zum Zeitpunkt seiner Amtseinführung komplett haben - nicht nur ausgesucht, sondern am besten auch schon vom Senat bestätigt. Schließlich übernimmt der 44. US-Präsident sein Amt in einer der schlechtesten Ausgangssituationen, die je ein frisch gewähltes Staatsoberhaupt zu bewältigen hatte. Da lag es nahe, sofortiges Loslegen zu signalisieren: einen Turboübergang mit einem Team, das gleichzeitig den Geist der Veränderung signalisiert wie auch die Kompetenz, diese umzusetzen. Es ist ein Drahtseilakt zwischen dem Versprechen neuer politischer Kultur einerseits und der nahe liegenden Vermutung, dass ohne erfahrene Protagonisten wenig auszurichten sein dürfte.
Der rasche Übergang hat nicht ganz geklappt. Zwar wurde Obamas frühere Rivalin um die demokratische Präsidentschaftskandidatur, Hillary Clinton, als Erste bei nur einer Gegenstimme als neue Außenministerin bestätigt. Und auch um die meisten anderen MinisterInnen muss sich Obama keine Sorgen machen. Doch ausgerechnet die Besetzung des wichtigen Postens des neuen Finanzministers muss zunächst offenbleiben: Nachdem Obamas Kandidat Timothy Geithner wegen früherer Steuervergehen in die Kritik geraten ist, hat der Senat seine Anhörung auf den Tag nach Obamas Amtseinführung verschoben.
Dabei bestehen an Geithners grundsätzlicher Qualifikation keine Zweifel. Der bisherige Chef der Federal Reserve Bank in New York kennt sich bestens aus und hat schon in den Anfängen der Finanzkrise auf eine größere Rolle des Staates gesetzt. Geithner ist für zwei der wichtigsten Themen zu Beginn von Obamas Amtszeit verantwortlich: das Managen der Finanzkrise und das Einlösen von Obamas Steuerversprechen an die Mittelschicht. Und das alles bei Übernahme eines Staatshaushaltes, der mit über einer Billion US-Dollar in den Miesen ist - Tendenz steigend.
Unterstützt wird Geithner durch Mary Shapiro, die als Chefin der Börsenaufsicht SEC vorgesehen ist. Die 53-Jährige gilt manchen als Regulierungsveteranin - im Prinzip kein schlechter Leumund, wenn es darum geht, außer Kontrolle geratene Finanzmärkte zu bändigen.
Ein wenig umstritten ist Eric Holder, der als neuer Justizminister vorgesehen ist. Er ist wie so viele andere in der Obama-Mannschaft ein Veteran aus Clinton-Zeiten. Die Republikaner im Justizausschuss werfen Holder die Zustimmung zu politisch motivierten Begnadigungen am Ende der Amtszeit Clintons vor. Das allerdings dürfte kaum mehr als eine billige Gegenwehr sein, versprach doch Holder bei seiner Anhörung in Washington am Donnerstag, die dramatischen Fehlentwicklungen der US-Justiz insbesondere im Antiterrorkampf rückgängig zu machen. Im Vergleich zu den Justizministern der Bush-Ära, vor allem den legendären John Ashcroft und Alberto Gonzalez, bestärkt Holder das Rechtsstaatsverständnis, für das Obama so geworben hat.
Auch bei der Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo, die Obama angekündigt hat, wird Holder eine Schlüsselrolle spielen. Bereits bei seiner Anhörung am Donnerstag hat er angekündigt, zumindest einige in Guantánamo Inhaftierte in den USA vor ordentliche Gerichte stellen zu wollen. Insbesondere in diesem Punkt dürften Konflikte mit Robert Gates, dem 2006 von Präsident George W. Bush berufenen Verteidigungsminister, unausweichlich sein.
Gates bleibt zunächst im Amt - angesichts eines Regierungswechsels zu Kriegszeiten wollte Obama zumindest in diesem Punkt Kontinuität wahren. Gates Ministerium allerdings verteidigt Guantánamo bis heute und geht davon aus, dass eigentlich alle Häftlinge weiter gefangen gehalten werden müssten, weil es sich um "gefährliche Männer" handele.
Ein weiteres Signal, dass sich die Dinge ändern sollen, ist hingegen die Ernennung Leon Panettas zum neuen CIA-Direktor. Panetta hat keine Geheimdienstvergangenheit - doch gerade dieses, dummerweise zuerst von der demokratischen Senatorin Dianne Feinstein als Kritik vorgebrachte Argument halten Kritiker der Bush-Politik für einen großen Vorteil. Panetta hat mehrfach die CIA-Praktiken der Folter und der Geheimgefängnisse kritisiert; er kann Glaubwürdigkeit für den Versuch beanspruchen, diese Praktiken abzustellen. Einziger Wermutstropfen: Gerade weil er im Metier unerfahren ist, behält er den bisherigen CIA-Vize Stephen Kappes vorerst im Amt - der aber ist verantwortlich für das Programm der Geheimgefängnisse.
Die Außenpolitik, in den letzten Monaten durch die Finanzkrise fast völlig aus der politischen Debatte verschwunden, dürfte allein schon durch Hillary Clinton im Fokus der Öffentlichkeit bleiben. Kein anderes Kabinettsmitglied hat einen derartigen Bekanntheitsgrad wie die frühere First Lady. Bei ihrer Anhörung vor dem Auswärtigen Ausschuss des Senats betonte sie, neue Schwerpunkte zu setzen: "Außenpolitik muss auf einer Ehe von Prinzipien und Pragmatismus beruhen, nicht auf reiner Ideologie, auf Fakten und Beweisen, nicht auf Gefühlen und Vorurteilen."
Frappierend - und desillusionierend für alle, die auch in der Nahostpolitik auf einen Wechsel hoffen - war, dass weder bei Clintons Anhörung noch bei der von Susan Rice als zukünftiger US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen eine wichtige Rolle spielten. Hier weiterhin kontinuierlich an der Seite Israels zu stehen scheint auch in der neuen Regierung Konsens zu sein. Change? Hier nicht.
Susan Rice warb bei ihrer Anhörung für ein neues, besseres Verhältnis zu den Vereinten Nationen und dafür, künftig stärker auf die UNO zu setzen. Das ist ein anderer Ton, als ihn etwa John Bolton anschlug, einer ihrer Vorgänger, der die Vereinten Nationen grundsätzlich für ineffizient und eigentlich überflüssig erklärte, bevor er sein Amt antrat.
An herausgehobener Stelle zu nennen ist noch der zukünftige Gesundheitsminister Tom Daschle. Dessen früherer Posten als demokratischer Führer im Senat verleiht ihm die notwendige Autorität und Kenntnis, um für die versprochene, aber schwierige Gesundheitsreform Mehrheiten zu organisieren.
Obama hat versucht, sein Team auszubalancieren und Frische mit Erfahrung zu kombinieren. Das scheint gelungen, auch wenn manche Nominierungen - wie etwa die von Larry Summers, des früheren Finanzministers unter Clinton, zu Obamas Wirtschaftsberater - den Linken die Fingernägel aufrollen. Es wird sich herausstellen, ob Obama wirklich die richtigen Leute ausgesucht hat - oder ob das neue Team nur deshalb so gut aussieht, weil dies im Vergleich zu den Vorgängern leicht ist.
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